Bundesgerichtshof hob Urteil im Mauerschützenprozeß auf

■ Dennoch: Todesschüsse waren rechtswidrig

Berlin (taz/dpa) – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern in zentralen Punkten das Urteil im ersten Mauerschützen- Prozeß wegen der Tötung von Chris Gueffroy im Februar 1989 aufgehoben.

Über das Strafmaß von Ingo Heinrich, der vom Berliner Landgericht im Januar 1992 zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt wurde – „der Schuß Heinrichs kam einer Hinrichtung gleich“, begründete damals der Vorsitzende Richter Seidel sein Urteil –, muß nun erneut verhandelt werden. Zwar ist auch der BGH der Ansicht, daß Heinrich der Todesschütze war, bei der Strafzumessung sei jedoch nicht hinreichend berücksichtigt worden, daß „der Angeklagte auf Befehl gehandelt hat“, sagte der Vorsitzende Richter Heinrich Laufhütte.

Andreas Kühnpast, der in der Vorinstanz zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, sprach der BGH jetzt frei. Ein Tötungsvorsatz sei ihm trotz der Abgabe von Dauerfeuer nicht nachzuweisen. Er habe „mit genügendem seitlichem Abstand“ zu Gueffroy geschossen. Ihm müsse daher seine Einlassung, er habe nicht töten wollen, geglaubt werden.

Unerwartet hob der BGH den Freispruch für Mike Schmidt auf. Dieser hatte in der Tatnacht Heinrich zugerufen: „Schieß doch!“ Bei diesem Befehl habe Schmidt nicht davon ausgehen können, daß Heinrich nur auf die Füße schießen werde. Es müsse deshalb geklärt werden, ob nicht auch Schmidt einen Tötungsvorsatz gehabt habe.

Letztlich wurde vom BGH nur der Freispruch des Landgerichts gegen den Beschuldigten Peter Schmett bestätigt. Trotz der massiven Kritik an dem Urteil hielt der BGH an seiner grundsätzlichen Auffassung zu den Todesschüssen an der Grenze fest: sie waren nicht durch das DDR- Grenzgesetz gerechtfertigt und verletzten „elementare Menschenrechte“. ja