Marsch der "Tindertruppen"

■ Kindergarten-Notstand / Alternative oder Notlösung: Freie Kindergruppen

Marsch der „Tindertruppen“

Kindergarten-Notstand / Alternative oder Notlösung: Freie Kindergruppen

Keinen Kindergartenplatz bekommen? Oder ist der nächste Kindergarten zu weit weg? Die Alternative zum Kindergarten heißt in Bremen Eltern-Kind-Gruppen. Etwa einhundert „Tindertruppen“ gibt es in Bremen. Das bedeutet Kindergruppe, erklärt mir Kai Günther, Vater von Jascha. Jascha ist vier Jahre alt und geht morgens ab acht Uhr in die Bullerkiste.

Dort verbringt er den Tag längstens bis 15.00 Uhr mit zehn anderen Kindern in hellen, großzügigen Räumen einer ehemaligen Anwaltskanzlei. Im Garten ist ein Spielplatz, und der Ausflugkarren steht abfahrbereit. Ella Münch, Erzieherin, schmeißt den Laden allein. Da will Jette den Pullover angezogen haben, da möchte Nils die Nase putzen, Nele ihre Hände waschen... und dann: ein gellender Schrei, Pauline hat Kathrin eins über die Rübe gegeben, ein Schlichtungsgespräch ist von nöten. „Was die Situation unerträglich macht, ist der Wegfall der ABM-Stellen. Denn nur darüber war überhaupt jemand für uns zu kriegen“, sagt Münch. Ein Zivildienstleistender ist zwar da, der darf aber nur als Hausmeister arbeiten. Für Ausflüge müssen die Eltern eine zweite Honorarkraft anstellen oder selbst einspringen.

Mit den meisten Kindern in der Gruppe ist Jascha seit dem Krabbelalter zusammen groß geworden. Der Amtsweg zu einer anerkannten Krabbel-(für Kleinkinder unter drei Jahren) oder Kinder-Gruppe ist mühsam. Der eingetragene Verein, mit Kassenwart und all den anderen Posten, muß seine Gemeinnützigkeit bescheinigen, eigene Räume finden, eine Erzieherin suchen und Zuschüsse beantragen. Im Rahmen der Richtlinien „zur Förderung der Eltern-Kind-Gruppen“ werden Personal-und Betriebskosten vom Staat mitgetragen. So kostet ein Ganztagsplatz zwischen 270 und 400 Mark für ein Kind. Im Einzelfall gibt es vom Amt für soziale Dienste einen Platz-Zuschuss.

Die Eltern müssen mitarbeiten. Das schreckt manche ab. Alle 14 Tage sind sie mit Kochen für 12 Kinder und die BetreuerInnen dran. Vertretungen werden von Eltern übernommen. Dafür wissen sie ihre Kinder in kleinen Gruppen besser versorgt. Die meisten Eltern sind der Meinung, daß ihre Kinder in den großen Gruppen der Kindergärten untergehen. „Ich bemühe mich, auch das Umfeld der Kinder zu berücksichtigen. Bei vielen Kindern war ich zu Hause zu Besuch“, erzählt Jessica Snieder, Erzieherin in der Gruppe Auf den Häfen.

„Die Elternarbeit ist eigentlich das schwierigste an der Kindergruppe“, sagt Snieder. Die Ansprüche der Eltern seien hoch. Fernsehen und Radio sind als „Ersatz-Kindermädchen“ verpönt. Auch um den Speisezettel werde häufig gestritten. Andererseits kann man sich intensiver besprechen. Die Eltern haben guten Kontakt untereinander und treffen sich mit ihren Kindern auch privat.

vivA