Innensenator: Frühjahrsoffensive gegen Drogen

■ Van Nispen: Teilerfolge und positive Effekte nach Repression / Mehr Streifendienst gegen offene Szene

Der verschärfte Einsatz der Polizei gegen die offene Rauschgift- und Dealerszene im Viertel habe „positive Effekte“ gebracht und sei ein „Teilerfolg“ im Kampf gegen das Drogenproblem. So lautet der Tenor einer von Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) gestern erstmals vorgelegten gesonderten Bilanz der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Ob das Senatskonzept zur Zerschlagung des Drogenstrichs insgesamt erfolgreich war oder nicht, darüber äußerte van Nispen sich zurückhaltend: Das könne erst dann beurteilt werden, wenn der Senat im Mai einen entsprechenden Zwischenbericht aus den beteiligten Ressorts erhalte.

Wichtigster Punkt in der Bilanz: Die Attraktivität Bremens für auswärtige Dealer und drogenabhängige Prostituierte habe nachgelassen. Durch die Repressionsmaßnahmen gegen drogenabhängige Prostituierte habe zwar auch eine Verdrängung der Szene in andere Straßen und Stadtteile begonnen, andererseits schrecke die Polizeitaktik auswärtige Frauen und Dealer ab. „Natürlich haben wir jetzt ein Problem in der Humboldtstraße. Es war aber klar, daß man zehn Jahre Fehlentwicklung im Viertel nicht in ein paar Monaten in den Griff bekommen kann“, so van Nispen. Äußeres Indiz für den Abschreckungseffekt: Rauschgift sei teurer geworden, es sei „schwerer geworden, in Bremen an Rauschgift zu kommen.“

Nach Angaben des Leiters des Stadtamtes, Hans-Jörg Wilkens, sind seit der Umsetzung des Zerschlagungskonzeptes in der Friesenstraße 44 Verstöße gegen die Sperrgebietsverordnung registriert worden. Sechsmal wurden Zwangsgelder in Höhe von 200 Mark erhoben, zirka zwölfmal Bußgelder in gleicher Höhe. Von dem Geld sei aber noch keine einzige Mark eingetrieben worden, erklärte Wilkens, weil die Adressaten bei der Vollstreckung „nicht mehr aufzutreiben gewesen sind“. Freier sind von der Repression ausgeschlossen. „Die machen sich juristisch nicht strafbar“, erläuterte Polizeipräsident Rolf Lüken.

Insgesamt ist die RauschgiftBilanz des Innensenators erschreckend. Danach sind 29 Prozent der aufgeklärten Straftaten in Bremen von Konsumenten harter Drogen begangen worden. Von etwa 20.000 Tatverdächtigen sind etwa 13 Prozent (absolut: 2.572) drogenabhängig. Signifikant ist der Anteil von Ausländern unter den Tatverdächtigen bei BtM-Kriminalität: Von den 2.572 Tatverdächtigen sind 32,6 Prozent (absolut: 839) Ausländer, von diesen wiederum 58,5 Prozent Türken und 17,2 Prozent Schwarzafrikaner aus Ghana, Nigeria und Gambia. 69 Prozent der ausländischen Tatverdächtigen, die im vergangenen Jahr beim Rauschgifthandel oder -schmuggel erwischt wurden, sind nach der Bilanz des Innensenators Asylbewerber. Unter denen, die wegen Konsum und Besitz belangt wurden, haben 56 Prozent einen Asylantrag gestellt. Die Innenbehörde hat 1992 vermehrt drogenkriminelle Ausländer abgeschoben. Insgesamt wurden 385 Menschen abgeschoben, 109 davon wegen BtM-Delikten.

Eine „Frühjahrsoffensive“ gegen Drogenkriminaltät kündigte der Innensenator an. Zwischen Brilltunnel und Ziegenmarkt werde verstärkt uniformierte Polizei zum Streifendienst eingesetzt. Befürchtungen, daß sich mit Beginn des warmen Wetters die offene Szene im Viertel regenerieren könne, weist van Nispen zurück: „Die Lebensqualität im Viertel hat sich verbessert, und das soll auch so bleiben“. Von 70 Absolventen der Polizeiausbildung, die im August ihren Dienst in Bremen antreten werden, sind allein 25 Beamte für Streifendienst im Viertel vorgesehen.

Entgegen einem rückläufigen Bundestrend ist die Zahl der Drogentoten in Bremen trotz eines erweiterten Methadonprogramms gestiegen. 1992 starben hier zehn Menschen mehr an Drogen als im Vorjahr (absolut: 87). Die Bekämpfung der Drogenkriminalität werde beim Innenressort weiter Arbeitsschwerpunkt bleiben, „auch wenn es dadurch personell zu Schwierigkeiten auf anderen Feldern kommt“, kündigte van Nispen an. mad