Statiker haben mit dem Palast ihre Last

■ Während über den Abriß noch diskutiert wird, tun sich unter dem Bau neue Abgründe auf

Berlin. Wenn es um ihre Interessen geht, macht die PDS dialektische Sprünge ganz eigener Art. „Friede dem Palast“, so kann man dieser Tage auf Flugblättern lesen, „weil er eine Hütte des Volkes ist“. Mit dieser neudeutschen Synthese des Büchnerschen Antagonismus ruft die SED-Nachfolgepartei zur Verteidigung des Palastes der Republik auf. Dessen Schicksal ist besiegelt, seit am letzten Dienstag der gemeinsame Ausschuß Berlin/ Bonn über den zukünftigen Sitz des Bundesaußenministeriums entschieden hat. Mit dem Beschluß, das Gelände auf der Spreeinsel für Neubauten freizumachen, wurde, quasi mit der Abrißbirne, ein Schlußstrich unter eine Auseinandersetzung gezogen, die sich mehr um die Fragen staatlicher Identität und nostalgischer Identifikation als um die Probleme baulicher Nutzung rankte.

So nimmt es nicht wunder, daß die Begründung des gemeinsamen Ausschusses, der ehemalige Palast könne „schon aus Gesundheitsgründen, wegen der Asbestgefahr nicht erhalten werden“, von den Abrißgegnern als politisches Zweckargument gewertet wird. In den Augen der PDS soll vielmehr „das Diktat der Bonner Abrißbirne“ die Erinnerung daran auslöschen, was der Palast „einmal war – eine Stätte der Begegnung, Kultur und Kunst für Berlinerinnen und Berliner“. Daß der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky und andere über das Verschwinden eines „städtebaulichen Schandflecks“ frohlocken, ist dem Bündnis 90/Grüne ein Beleg mehr dafür, daß es darum geht, „Spuren der jüngsten Geschichte der Stadt auszulöschen“.

Dabei kann sich auch das Bündnis 90/ Grüne dem Abrißargument des Ausschusses nicht völlig verschließen. Es ist unstrittig, daß der Palast der Republik asbestbelastet ist. Die krebserregenden Fasern wurden bereits im September 1990 festgestellt und das Gebäude daraufhin unverzüglich geschlossen. Mittlerweile ist klar, daß im Falle einer Sanierung von dem identifikationsträchtigen Bau lediglich ein Stahlskelett übrigbleiben würde. Denn, wie ein Gutachten der Bundesbauverwaltung bestätigt, weisen die 720 Tonnen Spritzasbest des Palastes den höchsten Gefährdungsgrad auf. Das hat zur Konsequenz, daß „der Asbest vollkommen zu entfernen ist, mit der Folge, daß das Gebäude auf den Rohbauzustand zurückzuführen ist“. Die Kosten belaufen sich auf 150 Millionen Mark. Gewichtige Argumente gegen einen Abriß führt der FDP-Abgeordnete Otto Schiela ins Feld, der Bauleiter bei der Errichtung des Palastes war. Nach seiner Einschätzung würde, unabhängig von der Asbestsanierung, ein Abriß 100 Millionen Mark kosten. Dabei unberücksichtigt wäre eine 2,5 Meter starke Stahlbetonwanne, in der der Palast ruht. Bei einem Abriß, so Schielas Befürchtung, würde die dann unbelastete Wanne vom Grundwasser hochgeschwemmt und die in ihr eingearbeitete sechsfache Wasserabdichtung Risse erhalten. Solche Schäden wären irreparabel. Es müßte die ganze Wanne entfernt werden, was jedoch zu Beeinträchtigungnen der Statik der umliegenden Gebäude führen würde.

Im federführenden Bundesbauministerium will man die Wanne nicht entfernen, sondern zur Grundlage künftiger Neubauten machen. Wie diese Bauten realisiert werden, hängt, nach den Worten der Sprecherin Winkler- Maitre, von den Ergebnissen des städtebaulichen Wettbewerbs ab. Erst dann lassen sich auch Aussagen über die Kosten des Abrisses treffen. Auch wenn, wie Schiela kalkuliert, insgesamt mit einer Summe von 500 Millionen gerechnet werden muß – eine Revision des Beschlusses des gemeinsamen Ausschusses ist deshalb nicht zu erwarten. Denn weit sicherer als auf dem Fundament des Palastes kann Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer auf die Konzeptionslosigkeit der Palastverteidiger bauen. Diese haben es versäumt, beizeiten auch vorwärtsweisende Vorstellungen von dem Spreeinselareal zu erarbeiten. Dieter Rulff