„Weniger ist mehr“ als Maßstab für die „Linden“

■ Expertengespräch über die künftige Gestaltung des Boulevards/ Großprojekte wie in der Friedrichstraße sollen sich nicht wiederholen/ Kritik am Lindencorso

Berlin. Das Architektenmotto der Moderne „Weniger ist mehr“ soll auch Maßstab beim Ausbau des Boulevards Unter den Linden sein. Bei einem Expertengespräch über geplante Neubauten wurde am Donnerstag abend außerdem deutlich, daß sich Großprojekte wie die Friedrichstadt-Passagen oder das amerikanische Geschäftszentrum am Checkpoint Charlie an der einstigen Prachtstraße zwischen Brandenburger Tor und Palast der Republik nicht wiederholen werden. Auch wegen zahlreicher Ansprüche von Alteigentümern auf die entsprechenden Grundstücke orientieren sich die Planungen zunehmend an der historischen Parzellenstruktur, so das Fazit der Diskussionsveranstaltung.

„Es bewegt sich viel“, sagte Ulla Luther von der Senatsbauverwaltung. Am weitesten seien die Planungen für den Pariser Platz am Brandenburger Tor, an den die Botschaften Amerikas, Großbritanniens und Frankreichs zurückkehren wollen und wo das legendäre Hotel Adlon wiedererstehen soll. Das frühere Volksbildungsministerium der DDR und das ehemalige Ministerium für Außenhandel werden für Abgeordnete und Bundestagsverwaltung umgebaut. Der Boulevard zwischen dem künftigen Regierungsviertel und dem geplanten neuen Parlamentsviertel sei 28 Jahre lang die „repräsentativste Sackgasse“ gewesen, so Frau Luther.

Teilweise heftige Kritik mußte der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler einstecken, der an Berlins bekanntester Kreuzung Friedrichstraße und Unter den Linden für 500 Millionen Mark das deutsch-französische Geschäftszentrum „Lindencorso“ errichten will. Auch sein überarbeiteter Entwurf eines achtgeschossigen Gebäudes mit zwei glasgedeckten Innenhöfen und Arkaden im Erdgeschoß sei immer noch zu monumental und festungsartig, meinen Kritiker. Passanten, die Spaß am Promenieren haben sollen, könnten dadurch verschreckt werden. „Es ist noch steinerner geworden. Und das ist auch gut so“, räumte Mäckler ein. „Wichtig für mich ist, daß wir nicht diese Pappmaché- Bauten haben.“

Gegen „Schnickschnack am Bau“ sprachen sich auch die Planer des Hotels Unter den Linden aus. Das Architektenteam Karl-Heinz Steinebach und Friedrich Weber will dort für die Deutsche Interhotel GmbH ein 200-Millionen-Projekt der Spitzenklasse bauen. Allerdings beansprucht auch eine deutsch-schwedische Investorengruppe das Grundstück für sich und macht geltend, sie vertrete 70 Prozent der Alteigentümeransprüche auf dieses Areal.

Vor einer „Kulissen-Architektur“ am traditionsreichen Boulevard warnte der Berliner Architekt Jürgen Sawade, der ein Büro- und Geschäftshaus an der Ecke Neustädtische Kirchstraße plant. Dabei soll eine Brandwand als riesige Ausstellungsfläche für Kunst erhalten bleiben. Ein haushohes Atrium soll Licht in das siebengeschossige Gebäude bringen. Sawade selbst bezeichnet seine Architektur als berlinisch und preußisch – „Weniger ist für mich mehr“, sagte er. Jutta Lauterbach (dpa)