Gähnende Penetranz-betr.: "Feurig wie Wim Thoelke" (Billy Graham), taz vom 20.3.93

betr.: „Feurig wie Wim Thoelke“ (Billy Graham),

taz vom 20.3.93

Wie müßte Billy Graham beschaffen sein, um vor Bascha Mikas Augen Gnade zu finden? [...] Daß Graham ohne das Brimborium der Falswells, Swaggarts und dergleichen auskommt, wird zwar registriert, aber nicht honoriert: Wim Thoelke muß herhalten, wenn's der taz nicht feurig genug zugeht. Trotzdem heißt es weiter unten, er sei „im Evangelisations-Showgeschäft der Größte“. Wen habt Ihr erwartet: Frank Sinatra? Dieser alte Herr kommt nicht als Entertainer, sondern als Prediger. A man with a message. [...]

Tatsächlich, das haben Bascha Mika und andere ReporterInnen gut beobachtete, wird eine Graham-Veranstaltung problematisch, wenn sie fast ausschließlich von bereits Bekehrten besucht wird. Denen ist die „message“ bis in einzelne Formulierungen hinein seit Jahren bekannt: Was soll sich da noch groß abspielen? Ein harmlos-langweiliger Erbauungsabend steht an, Gott sei's geklagt! Glücklicherweise und nicht zuletzt dank der vielen Presseberichte (welchem anderen Prediger hätte die taz wohl eine komplette Seite 3 gewidmet?), war die Zusammensetzung des Publikums an den folgenden Abenden doch etwas bunter als beim Auftakt. Und es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn nicht auch jemand hingegangen wäre und die Botschaft von Jesus Christus (von dem ist im Bericht erstaunlich wenig die Rede, wieso eigentlich? Er ist doch die Hauptsache bei ProChrist) aufgenommen hätte. Daniel Nowak, Köln

Man und frau müßten sich ja eigentlich brüskiert fühlen, wenn es nicht auf die Dauer so langweilig und öde wäre: das ständige, schon an infantile Trotzigkeit erinnernde Abspulen der Kirchenkritik. Es ist so albern, jeden Morgen zumindest auf der letzten Seite Euren vorprogrammierten Text über schwule Priester, bissige Fundamentalisten oder alte Mütterlein auf noch älteren Kirchenbänken zu lesen. Wenn es nicht mit einer solch gähnenden Penetranz aufträte (gepaart mit einem ach so humoresken Schreibstil), fände ich es noch niedlich. Aber es nervt so.

[...] Ich will keine Schönfärberei kirchlicher Aktivitäten, soviel Farbe hättet Ihr gar nicht. Aber als kritischer Leser Eurer Zeitung möchte ich zumindest sachliche Darstellungen. Oder habt Ihr es mittlerweile so nötig, mit Hilfe eines Dauerbeschusses kirchlicher Interessen durch schenkelschlagende Heiterkeiten Euren LeserInnen die Zeitung schmackhaft zu machen? Es wirkt auf mich jedesmal wie ein Armutszeugnis. [...] Klaus Kaiser, Bonn

Feuerbach, Marx, Nietzsche und Freud sind Eckpfeiler einer Auffassung, die Religion an sich als krank und verderblich betrachtet. Diese Auffassung braucht man nicht zu teilen. Welche Kriterien können wir aber finden, ob „Gottes Bodenpersonal“ krank oder gesund ist?

Man achte einfach darauf, wofür diese Menschen transparent sind, welche seelischen Potentiale durch sie hindurch scheinen, und man wird das ganze Spektrum vom „Teufel bis zum lieben Gott“ erkennen können. Wie macht man das, wenn nicht schon Lautstärke und schriller (höllischer) Tonfall aussagekräftig sind? Man halte sich die Ohren zu und mache die Augen ganz weit auf. (Alfred Adler)

Dann sind keine verwirrenden „double binds“ mehr möglich, Widersprüche zwischen süffen Honigworten und grimmigen Grimassen. Der „Gottesmann“ wird transparent. Man versuche es bei seinem Pfarrer, bei religiösen Führern etc. Viel Spaß! Stephen Boy, Braunschweig