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■ Press-SchlagJesús der Große

Die Frage: „Würden Sie von diesem Mann einen Gebrauchtwagen kaufen?“ fände in der spanischen Bevölkerung eine einhellige Antwort: „Niemals.“ Das spielt aber keine Rolle mehr, denn den Berufsstand des kleinen Autoverkäufers hat Jesús GilyGil längst hinter sich gelassen. Als Baulöwe brachte er es zu Reichtum und auch die 18 Monate, die er im Knast verbrachte, konnten seinen Aufstieg nicht stoppen. Am 15.Juni 1969 war eine von Gil gebaute Halle eingestürzt, weil dieser den Architekten eingespart hatte, 300 Menschen wurden begraben, 58 starben. Seine guten Beziehungen zum Diktator halfen dem unheiligen Jesús aus der Patsche, schon nach anderthalb Jahren wurde er von Franco begnadigt. Mittlerweile ist der vierschrötige Baulöwe Bürgermeister in seinem Heimatort Marbella und träumt davon, eines Tages Spaniens Präsident zu werden.

Eine seiner ersten Amtshandlungen war, nachdem er versprochen hatte, „die Stadt von Dreck, Nutten und Drogensüchtigen zu säubern“, die Verdoppelung der örtlichen Polizeikräfte. Ungehemmmt setzte er sich über Gesetze und Verordnungen hinweg, besetzte die wichtigsten Posten mit seinen Freunden, ließ Jugendclubs schließen und provozierte höchstselbst eine Straßenschlacht mit der von ihm als „Abschaum der Menschheit“ verunglimpften Jugend Marbellas. Solches Vorgehen trug ihm ein Lob vom Costa-del-Sol-Bewohner Sean Connery ein, der davon aber rasch wieder abrückte, als Gil seine Aussage, daß seit dem Amtsantritt des Don Jesús Ruhe und Ordnung in Marbella eingekehrt seien, ungeniert für seine Wahlkampagnen ausschlachtete.

Die meisten Schlagzeilen macht Jesús GilyGil aber nach wie vor als Präsident des Fußballclubs Atletico Madrid. Die Trainer feuert er reihenweise, einer von ihnen, der Argentinier César Luis Menotti, bezeichnete ihn einst bündig als „Mafia- Gangster“. Letztes Opfer war ein anderer Argentinier, Omar Pastoriza, der nach 40 Tagen entnervt das Handtuch warf, weil ihm Gil permanent in die Mannschaftsaufstellung reinredete. Ähnliches gedenkt der Präsident auch weiterhin zu tun. „Der Trainer ist nicht Gott“, verkündete Jesús, „in Zukunft werde ich mich in alles einmischen.“ Künftige Trainer will er einen Gebotekatalog unterschreiben lassen, der ihre Befugnisse minimiert. „Ich werde nicht die Aufstellungen machen, aber ich werde sehen, wer in Form ist und wer nicht.“

Die Fähigkeit dazu wird ihm allerdings weithin abgesprochen. Gil sei ein „Fußball-Ignorant“, meint der Vorsitzende der Atletico-Fanclubs, die ohnehin eine Rechnung mit Don Jesús offen haben, seit dieser behauptete, daß jeder Atletico- Fan „wenn nicht einen Drogensüchtigen, dann mindestens eine Prostituierte“ in der Familie habe. Horacio Leiva, Präsident des Trainerverbandes, betrachtet Gil schlicht als „Diktator“. Das alles ficht diesen nicht an. Wem sein Vorgehen nicht gefalle, der tue ihm leid. „Und wenn zwanzig Trainer gehen, dann gehen sie eben. Ich habe 200, die Schlange stehen.“

Der Einzige, der es an Sturheit mit GilyGil aufnehmen kann, ist, wen wundert's, Bernd Schuster. Unbeirrt setzte er durch, daß er seine langwierige Knöchelverletzung auf seine eigene, naturalistische Weise ausheilen konnte, und auch Pastorizas Versuch, den Argentinier Villareal von den Boca Juniors auf seine Mittelfeldposition zu hieven, ließ Schuster glatt abprallen. Er spielte einfach da, wo er immer spielte, Villareal rannte desorientiert umher, kam nicht zurecht und wurde nun von Gil sogar aus dem Kader geworfen. Der Platzhirsch setzte sich durch, ungeachtet der Tatsache, daß er einiges von seiner alten Dynamik einegbüßt hat. „Mit Schuster gibt es kein Spiel“, schrieb El Pais kürzlich, „ohne Schuster gibt es keine Hoffnung.“ Matti

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