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Ein schweres Erbe

■ Der Schatten von Ernst Happel schwebt unheilvoll über Österreichs neuem Teamchef Herbert "Schneckerl" Prohaska

Leicht wird er es nicht haben, der Herbert „Schneckerl“ Prohaska. Unweigerlich wird der neue Teamchef der österreichischen Fußballmannschaft an seinem Vorgänger gemessen werden, an dem im November letzten Jahres verstorbenen Ernst Happel. Man zähle die deutsche Hochachtung gegenüber einem Franz Beckenbauer und die Verbundenheit mit einem Uwe Seeler zusammen, so kommt man in etwa auf jenen Sympathiewert, dessen sich Happel bei seinen Landsleuten erfreuen konnte. Für viele war er schlicht der „Wödmasta“ (für Norddeutsche übersetzt: der Weltmeister).

Nun sind andere Sportler vor ihm in Österreich in den Rang von Nationalhelden aufgestiegen, so Karl Schranz oder Franz Klammer. Aber Happel legte diesbezüglich keine Anstrengungen an den Tag. Er machte halt seine Arbeit, und die ordentlich und meisterlich, ansonsten wollte er seine Ruhe haben. So regelmäßig er sich zu seiner Kartenrunde im Café Ritter in Wien-Ottakring einfand, so kategorisch verbat er sich jedes Lächeln für die Fotografen. Den Journalisten präsentierte er sich grimmig und kurzangebunden. Das wenige, was er in seinem eigenwilligen Idiom aus Wienerisch, Plattdeutsch, Holländisch und Fußballerisch von sich gab, waren dann auch noch kryptische Botschaften, an deren Entschlüsselung sich ein ganzes Land beteiligte: „Eine Biene, die was keinen Honig bringt, taugt nix.“ Was wollte er damit sagen, verbirgt sich darin die Taktik fürs nächste Match, war's eine Kritik am Stürmer?

In einer Zeit, da alle plappern und sich den Medien anbiedern, tat einer wie Happel gut, der eisern schwieg und sich dem Betrieb verweigerte. Es zeugt auch zugleich von einem recht gesunden Geisteszustand der Österreicher, daß sie so einen wie ihn ins Herz geschlossen hatten. Wie er die Erfolge immer wieder bewerkstelligte, die sich, ob in Holland, Hamburg oder Innsbruck, unabhängig von Ort und Zeit, mit einer wundersamen Naturgesetzlichkeit einstellten, dieses Geheimnis nahm Ernst Happel mit ins Grab.

Bei der österreichischen Nationalmannschaft konnte er nicht so verfahren, wie er es gerne bei den Clubs tat: erst einmal die ganze Mannschaft von Grund auf umstellen. Das war (und ist) aufgrund fehlenden Potentials nicht möglich. Der Wödmasta mußte weitgehend auf den alten Kader zurückgreifen. Irgendwie hatte er, der Zauberer und Magier, es aber auch in diesem Fall zustande gebracht, daß sich seine Mannen auf das Toreschießen besannen und es mit dem Team wieder bergauf ging.

Von Prohaska wird nun erwartet, daß er diesen Aufwärtstrend fortsetzt. Und man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß ihm das Los eines Berti Vogts nicht erspart bleiben wird, falls die WM-Qualifikation in die Hosen geht. Wobei nicht einmal unbedingt die Qualifikation verlangt wird, aber doch zumindest ein würdiges Abschneiden. Eine Niederlage im Rückspiel gegen Israel ist nicht drin.

Unumstritten war Prohaska von Anfang an nicht. Des Volkes Stimme wollte Didi Constantini zum neuen Teamchef. Der war Happels Assistent und dem Fernsehpublikum wohlbekannt, weil ihn Happel zu Interviews regelmäßig an seiner Statt vorschickte. Doch so sehr sich Constantini auch mit seiner Eloquenz und Natürlichkeit empfahl, bei den jüngeren Fans zudem mit seinen langen Haaren, sein großes Handicap war doch, daß er immer nur der Assistent war, auch in den Clubs. Und mit so einem hatte der Fußballpräsident schon einmal schlechte Erfahrung gemacht, mit Alfred Riedl, der Pepi Hickersberger nach dem Faröer-Debakel nachgefolgt war. Riedl wurde nie richtig ernst genommen und durfte dann auch bald wieder seinen Hut nehmen. Heute trainiert er einen Verein in der zweiten österreichischen Division.

Das Manko von Prohaska: er ist ein eingefleischter Austrianer. Womit er schon einmal automatisch alle Rapid-Fans, die Anhänger des anderen großen Wiener Traditionsvereins, gegen sich hat.

In den Mannschaftsreihen der Wiener Austria wirkte Prohaska als Mittelfeldregisseur, nach Beendigung seiner Spielerlaufbahn vor drei Jahren wechselte er nahtlos in den Trainersessel des Clubs. In Österreich hat er nie bei einem anderen Verein gespielt, wohl aber brachte ihm seine elegante Leichtfüßigkeit zwischendurch einen Transfer nach Italien ein. Es ist auch noch gar nicht so lange her, daß wir uns selber ein Bild machen konnten von seinen feinen, trickreichen Auftritten, bei den notorischen Zusammentreffen von Austria Wien gegen Bayern München in den Europapokal-Wettbewerben. Jedesmal fiel Matthäus auf der anderen Seite wie ein ungeschlachter Haudegen gegen ihn ab. Prohaska am Ball, da blitzte etwas von Ballett auf.

Im Traineramt holte er zweimal hintereinander Titel und Pokal, 1991 und 1992. Quasi sein Meisterbrief in dieser Branchenposition. Doch als sich das Präsidium von seinen beiden Assistenztrainern trennen wollte, verabschiedete sich aus Solidarität auch Herbert Prohaska.

Jetzt ist er wieder ganz oben. Mit vielen seiner Spieler hat er noch selbst zusammen gekickt: mit Polster, Herzog, Stöger... Das erste Trainingslager schlug er an seiner alten, erfolgsumflorten Wirkungsstätte auf: in Rom. Doch erst heute, im WM-Qualifikationsspiel in Frankreich wird es ernst für das Schneckerl. Wenzel Müller

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