„Der Islam ist der neue Kommunismus“

Nach dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center befürchten muslimische AmerikanerInnen, daß der Islam in den USA nun endgültig zum neuen Feindbild wird  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Fünf Verdächtige in Haft, ein sechster noch auf freiem Fuß. Mit diesem Zwischenstand präsentierten am Donnerstag die New Yorker Staatsanwaltschaft und das FBI höchst zufrieden ihr vorläufiges Ermittlungsergebnis im Fall des Bombenattentats auf das World Trade Center, bei dem am 26. Februar sechs Menschen getötet und mehrere hundert verletzt wurden. Eine Großfahndung, die den Amerikanern ein Gefühl der Sicherheit wiedergeben sollte, hatte US-Präsident Bill Clinton nach dem Attentat gefordert — die US-Strafverfolgungsbehörden scheinen ihm diesen Wunsch erfüllt zu haben.

Allerdings registrieren muslimische Amerikaner mit zunehmender Besorgnis, daß in diesem Fall nicht nur Tatverdächtige angeklagt werden, sondern die Religion des Islam an den Pranger gestellt wird, wobei Islam in der Regel mit Fundamentalismus gleichgesetzt wird. Wochenlang hat das Gesicht des ägyptischen Geistlichen Sheik Omar Abdel-Rahman Fernseh- und Titelbilder geprägt, jenes Mannes, der als ideologischer Drahtzieher des Bombenanschlags gilt. In Abdel-Rahmans Moschee in New Jersey fanden sich unter anderem Salameh, Elgabrowny und Abouhalima zum Gebet ein und lauschten den Predigten. Abdel- Rahman hat zumindest nie öffentlich zu konkreten Gewalttaten aufgerufen, doch auch in ihrer Allgemeinheit sind seine Sätze kaum mißzuverstehen: „Schlagt zu und tötet die Feinde Gottes an jedem Ort, um ihn von den Abkömmlingen der Schweine und Affen zu befreien, die an den Tischen des Zionismus, Kommunismus und Imperialismus gefüttert werden.“ Für eine Anklage reicht das jedoch nicht aus.

Daß nun im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag auf das „World Trade Center“ wieder Schlagworte wie „islamischer Zorn“ und „religiöser Wahn“ auftauchen, ist insofern paradox, als zur gleichen Zeit eine bis an die Zähne bewaffnete christliche Sekte im texanischen Waco von mehreren hundert Polizisten und FBI-Beamten belagert wird. Dieser Konfrontation mit religiösem Wahn sind bislang mindestens vier Polizisten zum Opfer gefallen. Allerdings ist noch keiner auf die Idee gekommen, in diesem Zusammenhang von „christlichem Zorn“ zu sprechen.

Das „American-Arab Anti-Discrimination Committee“ (ADC), eine alteingesessene Bürgerrechtsgruppe, macht in einer Stellungnahme deutlich, daß die anti-arabische Stimmung nach dem Anschlag auf das „World Trade Center“ bei weitem nicht die Ausmaße angenommen hat wie während des Golf-Krieges oder während der US-Bombenangriffe auf Libyen 1986. Damals wurden Bombenanschläge auf Moscheen und andere islamische Einrichtungen verübt, arabische Studenten an Universitäten angegriffen und beschimpft, amerikanische Muslime anonym bedroht. Allerdings verzeichnen Moscheen in Kalifornien und anderen Bundesstaaten wieder Drohanrufe. Vereinzelt melden Muslime, auf der Straße beschimpft oder belästigt worden zu sein.

Doch obwohl anti-muslimisch motivierte Gewalttaten nach dem Attentat auf das „World Trade Center“ die Ausnahme blieben, befürchtet Jamal Naggab vom „American Mideast Educational Training Project“, die in den USA Stipendien für arabische Studenten organisiert, daß den Muslimen endgültig eine neue Feindbildrolle zugewiesen wird. „Der Islam ist jetzt der neue Kommunismus.“ Für ihn macht sich das nicht nur in den jährlichen Reports des ADC bemerkbar, sondern auch im Alltag. Etwa dann, wenn in US-Talkshows die Frage erörtert wird, welche Vorsichtsmaßnahmen Nicht- Muslime treffen sollten, wenn sich in ihrer Nachbarschaft eine Moschee befindet.

Bereits vor den ersten Festnahmen im Fall des Bombenanschlags auf das „World Trade Center“ hatte sich in den USA die Debatte um Einwanderungsgesetze verschärft, seitdem ein pakistanischer Muslim im Zusammenhang mit dem Mord an mehreren CIA-Mitarbeitern gesucht wird. Die Forderung nach härteren Gesetzen und Restriktionen wurde entsprechend lauter, als die Presse meldete, daß sich Mohammed Salameh illegal in den USA aufhält und Sheik Omar Abdul-Rahman 1990 angeblich nur aufgrund eines Computerfehlers durch das Netz der Einwanderungsbehörde schlüpfen konnte, obwohl sein Name auf einer „Terroristenliste“ des US-Außenministeriums stand. In der US-Presse wird allerdings auch spekuliert, daß Abdul-Rahman aufgrund seiner Unterstützung für muslimische Rebellen in Afghanistan zeitweise das Wohlwollen der CIA genoß. Die US-Einwanderungsbehörde hat inzwischen die Ausweisung des Ägypters angeordnet. Abdel-Rahman hat gegen den Ausweisungsbeschluß Widerspruch eingelegt.