: Jeder fünfte bleibt der Meldekontrolle fern
■ Arbeitsämter beginnen mit den verschärften Kontrollen bei Arbeitslosen
Berlin (taz) — „Meldestelle, Raum 0014“ weist ein Schild im Foyer des Berliner Arbeitsamts 1 auf die Treppe zum Souterain. Hier, in einigen leergeräumten Zimmern, finden seit Montag die Meldekontrollen für Arbeitslose statt. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte die Arbeitsämter Ende Februar angewiesen, ein halbes Jahr lang die Hälfte der Arbeitslosen einmal im Monat vorzuladen, aus bestimmten Branchen sogar alle.
Die neueingeführte Meldepflicht hat beim Arbeitsamt 1 immerhin zwei Arbeitslose in Lohn und Brot gebracht, wenn auch nur befristet. Die beiden Hilfskräfte verstärken die insgesamt fünfköpfige „Sondergruppe“, die die Meldekontrollen durchführt.
„In den ersten drei Tagen haben wir insgesamt 956 Personen eingeladen. Davon sind 206 nicht erschienen. Das sind rund 20 Prozent“, lautet die erste Bilanz von Arbeitsamtdirektor Norbert Stiffel. Wer auch der zweiten Einladung nicht folgt, bekommt kein Arbeitslosengeld mehr. Es muß dann neu beantragt werden.
Stiffel räumt zwar ein, daß es in seinem Hause auch Kritik an der Meldepflicht gebe, weil die MitarbeiterInnen ohnehin schon überlastet seien, aber die Alternative wäre die im Solidarpakt angedrohte pauschale Kürzung des Arbeitslosengeldes.
Organisatorisch hat man alles in den Griff bekommen. An diesem Vormittag sitzen etwa 25 Arbeitslose im Gang, die Wartezeit hält sich in Grenzen. Es wird zügig abgefertigt. „Ich bin nicht mal eine Minute lang drin gewesen“, berichtet ein grauhaariger Erzieher. „Die waren sehr nett, es war ihnen wohl selbst etwas unangenehm“, meint er. „Die wollten nur meinen Personalausweis sehen.“ Seit der 41jährige nicht mehr in seinem Beruf arbeiten kann, bemüht er sich um eine Umschulung zum Heilpraktiker. Er kritisiert, daß die Kontrollen nur durchgeführt werden, weil gespart werden muß und daß den Arbeitslosen damit pauschal unterstellt wird, sie würden Leistungen erschleichen.
Das war „relativ harmlos“, findet eine Tischlerin. Allerdings müsse sie demnächst noch mal zu einem Beratungsgespräch kommen. „Aber ich bekomme eh' kein Geld vom Arbeitsamt, ich bin hier eine Karteileiche.“ Die 32jährige hat sich auf Kosten des Arbeitsamtes zur Tischlerin umschulen lassen und muß nun für vier Jahre „verfügbar“ sein. Arbeitsangebote gibt es aber nur als Bautischlerin und als Frau ist sie nicht vermittelbar.
Vier von neun vor dem Arbeitsamt Befragten haben Verständnis für die neue Meldepflicht. „Das ist in Ordnung“, meint ein 44 Jahre alter, türkischer kaufmännischer Angestellter.
Ein anderer „weiß, daß viele schwarzarbeiten, und das ist in der heutigen Lage nicht fair“. Das ist „ganz sinnvoll“, meint auch eine 31jährige promovierte Chemikerin. „Wie wirksam das ist, weiß ich allerdings nicht. Wer schwarzarbeitet, kann sich ja mit seinem Arbeitgeber absprechen und sich für den Termin ein paar Stunden freinehmen.“
Nur ein 34jähriger Autolackierer findet die Meldepflicht „völligen Quatsch“. Der junge Mann, der seit einem halben Jahr arbeitslos ist, meint: „Ich bin völlig umsonst hier gewesen.“ Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen