Fluglärm führt ab jetzt zu Entschädigungen

■ Bundesgerichtshof gab einer durch Flieger belästigten Familie recht

Karlsruhe (AFP/taz) – Lärmgeplagte Hausbesitzer, die in der Nähe von Militärflughäfen leben, haben Anspruch auf Schadensersatz. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem gestern in Karlsruhe bekanntgewordenen Urteil entschieden. Die Richter gaben damit der Klage einer Familie statt, die in einem Haus am Rande des Nato-Flughafens Nörvenich bei Köln lebt.

Für die Beeinträchtigung der Hausnutzung wegen des Lärms steht dieser Familie vom Bund eine Entschädigung von rund 250.000 Mark zu. Die Bundesregierung befürchtet jetzt eine Flut ähnlicher Klagen und Folgekosten in Höhe von zwei Milliarden Mark. Laut BGH wird die schriftliche Urteilsbegründung in etwa drei Wochen vorliegen.

Der Kläger hatte sich durch sämtliche Instanzen klagen müssen, um endgültig von dem BGH Recht zu erhalten. Zuvor hatte zwar bereits das Oberlandesgericht in Köln der Klage entsprochen, die Bundesregierung jedoch war in Revision gegangen.

In dem seit 1984 dauernden Verfahren hatte er vor allem geltend gemacht, daß die unerträglichen Lärmbelästigungen von bis zu 20 Starts und Landungen täglich zu permanenten Erschütterungen und Rissen im Mauerwerk geführt hätten. Wegen des Dauerschallpegels von mehr als 70 Dezibel sei die sogenannte Enteignungsschwelle überschritten und das in der LärmschutzzoneII in einem Landschafts-, Wasser- und Vogelschutzgebiet gelegene Anwesen unverkäuflich. Es sei unmöglich, „mit zumutbarem Aufwand“ die Lärmbeeinträchtigung auf ein erträgliches Maß zu mindern. Außerdem sei der Lärm mit Extremwerten von mehr als 100 Dezibel gesundheitsschädlich.

Das Oberlandesgericht Köln war dieser Argumentation gefolgt. Begründung: Der Entschädigungsanspruch aus einem „enteignenden Eingriff“ sei das öffentlich- rechtliche Gegenstück zum zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch unter Nachbarn. Diese Entscheidung bestätigten jetzt die Karlsruher Richter und verwarfen damit die Revision der Bundesregierung.

Bei der mündlichen Verhandlung am Donnerstag hatte der Rechtsvertreter der Bundesregierung angekündigt, daß auf den Bund Folgekosten von etwa zwei Milliarden Mark zukämen. Nach dem Urteilsspruch muß nun das Landgericht Köln den durch den Fluglärm verursachten Minderwert des Anwesens genau ermitteln.

Das Bundesinnenministerium teilte gestern mit, daß sich die Telefonnummer der Flugbetriebs- und Informationszentrale des Luftwaffenamtes geändert hat, an die sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren Beschwerden wegen des militärischen Flugbetriebs wenden können. Neue Nummer zum Ortstarif: 0130/862073