Windelaffäre im Schlachthof

■ Kneipier hängte Ausstellung ab / Kunst im Kulturzentrum am Ende?

Jede bessere Kneipe hängt sich Kunst an die Wand, nur im Kulturzentrum Schlachthof wird sie abgehägt. Im Schlachthof kriselt es hinter den Kulissen. Äußerer Anlaß ist der Konflikt um eine Ausstellung in der vielbeachteteten Reihe „Hausfrauenkunst“: Die Bremer Künstlerin Anja Schindler hatte in der Schlachthofkneipe bemalte Pampers aufgehängt. Doch der Kunstgenuß währte nicht lange. Angesichts der bunten Windeln schmeckten seinen Gästen die Bratkartoffeln nicht mehr, meinte der Pächter der Kneipe und hängte die inkriminierten Objekte kurzerhand wieder ab.

Groß war die Aufregung bei der Künstlerin und der Hausfrauenkunst-Organisatorin Dodo Richter-Glück. Sie brachten den Fall vor den Schlachthofvorstand, der Wirt war im Urlaub, am Freitag wurden die Windeln wieder aufgehängt. Heute will der Wirt den Vorstand noch einmal mit der Sache befassen. Im Hintergrund der Windelaffäre schwelt allerdings ein tieferer Konflikt: Angesichts der Sparzwänge ist die Kunstabteilung des Schlachthofs unter Druck geraten. Es scheint sich abzuzeichnen, daß das Kulturzentrum schon bald keine Ausstellungen mehr organisieren wird.

Im Pachtvertrag für die Kneipe ist zwar festgahelten, daß der Raum in das Ausstellungskonzept eingezogen wird. Doch das scheint wenig zu kümmern. Anja Schindler: „Dahinter steckt doch: Kunst bitte nur dann, wenn sie nett beschaulich ist.“ Die Ausstellungmacherin wähnt sich fast schon auf verlorenem Posten, die Kunst hat im Schlachthof einen schweren Stand: „Die Sachen mit den Windeln ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Dodo Richter-Glück. Es sei im Kulturzentrum nicht allein der Pächter der Kneipe, der eher desinteressiert sei, wenn es um Kunst geht. Ständig gebe es Konflikte, weil die Verwaltung Veranstaltungen ohne Absprache in die Ausstellungsräume organisiere. Im Kulturzentrum scheint sich beim Gerangel um die kleiner gewordenen Fleischtöpfe der finanziellen Förderung die Gruppe um Musik und Theater gegen die Kunst durchzusetzen.

Die Kunstabteilung im Schlachthof ist ohnehin dünn besetzt: Dodo Richter-Glück allein betreut den Galeriebetrieb. Und das nicht mehr lange. Wenn in ein paar Wochen die öffentliche Förderung für ihre Stelle ausläuft, fällt die Ausstellungsplanung in ein schwarzes Loch. Ab dem nächsten Jahr soll der Schlachthof institutionelle Fördermittel bekommen. Das erste Planungspapier für die Stellenverteilung zwischen den Abteilungen zirkuliert schon. Dort sucht man allerdings vergebens nach einer Stelle für deb Galeriebetrieb. Die ist nicht vorgesehen.

So läuft alles auf die billigste aller Lösungen hinaus. Die Reihe Hausfrauenkunst läuft noch bis zum 3.Juli. Richter-Glück: „Die werde ich dann unentgeldlich zu Ende führen.“ J.G.