Schröder In Jerusalem: Gegen Deutschland-Boykott

■ Ministerpräsident: „Lassen Sie uns keine neue Trennung aufbauen“

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) hat an Israel appelliert, angesichts der rechtsextremistischen Gewalt in Deutschland die Kontakte zwischen beiden Ländern zu verstärken und nicht abzubauen. Ein Boykott Deutschlands, wie er in Israel derzeit diskutiert werde, sei aus seiner Sicht die falsche Reaktion auf Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in Deutschland, sagte der SPD-Politiker am Sonntag abend in einem Vortrag in der Neuen Hebräischen Universität Jerusalem.

Die in der Geschichte der Bundesrepublik bisher beispiellose Welle rechten Terrors habe eine ebenso beispiellose politische Gegenbewegung ausgelöst. Die große Beteiligung an Lichterketten und anderen Aktionen hätten gezeigt, „daß Gewalt und Rassismus in der deutschen Jugend keine Basis haben“, sagte Schröder. Das Bewußtsein über den Hitler-Faschismus dürfe nicht dazu verführen, das Aufflammen des Rechtsextremismus zu dämonisieren. Dies sei auch kein rein deutsches Problem. Es reihe sich ein in eine europäische Entwicklung. „Der Rechtsextremismus in Deutschland ist eine ganz normale Entwicklung in einem Land, in dem eine solche Entwicklung nicht normal sein darf“, sagte Schröder.

Es sei „leider wahr“, daß Umfragen zufolge 40 Prozent der Deutschen sich nicht vorstellen könnten, daß ein Jude Bundespräsident werde. „Aber wahr ist auch, daß von den jungen Leuten unter 30 Jahren drei Viertel kein Problem mit einem jüdischen Staatsoberhaupt hätten“, sagte Schröder. Diese Tendenz gebe zu Optimismus Anlaß. „Ich bitte Sie: Lassen Sie uns keine neue Trennung aufbauen“, sagte er.

Schröder war am Morgen zu einem zweitägigen Israel-Besuch in Jerusalem eingetroffen. In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem legte er einen Kranz zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Faschismus in Deutschland nieder. Der SPD-Politiker traf am Nachmittag zu einem Gespräch mit Ministerpräsident Izchak Rabin zusammen. Am Montag sind Treffen unter anderem mit Außenminister Simon Peres sowie Vertretern der Palästinenser geplant. dpa