Wer braucht schon einen Küchenschrank Von Ralf Sotscheck

Wer zwei linke Hände hat, ist auf Handwerker angewiesen. Fatalerweise haben die Handwerker in Irland ebenfalls zwei linke Hände. In dem völlig unbegründeten Vertrauen darauf, daß nicht jeder Besuch eines Handwerkers mit einer Katastrophe enden kann, beschloß ich, mir von einem Hobbytischler einen billigen Küchenschrank bauen zu lassen. Das Geld dafür war noch von der Entschädigung übrig, die die Versicherung für die Überschwemmung nebst wochenlangem Heizungsausfall bezahlt hatte, die ein Fernsehmonteur mitten im Winter angerichtet hatte. Kaum funktionierte die Heizung wieder, war das Öl alle. Nun stellt die Lieferung von Heizöl auch in Irland kein unüberwindliches Problem dar, sollte man meinen. Der Tankwagen fuhr wie versprochen noch am selben Abend vor, parkte jedoch nicht auf der Straße, sondern bog in die Einfahrt ein und hielt genau auf dem großen Deckel des Abwasserkanals. Da der Deckel höchstens Fahrräder und Kleinwagen gewöhnt war, gab er prompt den Löffel ab, und der Tankwagen verschwand bis zur Stoßstange in der Kanalisation. Nachdem der Fahrer – zweifellos das ungeschickteste Exemplar seiner Zunft – den Tankwagen mit Hilfe eines Krans aus seiner mißlichen Lage befreit hatte, schlug er vor, das Loch vorübergehend mit Zweigen abzudecken. Das hatte er vermutlich in einem TV-Film über Trapper in Alaska gesehen.

Doch zurück zu dem Schränkchen. Der Hobbytischler hat mir bereits einmal das Leben gerettet, nach dem mir ein Elektriker offenbar getrachtet hatte. Der hatte mir nämlich einen modernen supersicheren Sicherungskasten aufgeschwatzt, der beim kleinsten Stromleck alles abschalten sollte. Das tat er freilich nur in der Theorie. Der Horror-Elektriker hatte sämtliche Sicherungen einfach mit Kabeln überbrückt, wodurch der supersichere Kasten zur Attrappe wurde – er hätte genausogut eine Schachtel Pralinen an die Wand nageln können. Das hätte ich übrigens gerne mit dem Elektriker gemacht, aber der ist längst nach England ausgewandert. Jedenfalls genoß der Tischler mein eingeschränktes Vertrauen, da er den Sicherungskasten als Fake entlarvt hatte. Der Nachteil bei Schwarzarbeitern ist, daß sie nur an Wochenenden Zeit haben, so daß sich der Bau des Schränkchens schon sechs Wochen hinzog und das Sägemehl, das sich über sämtliche Lebensmittel verteilt hat, inzwischen fester Bestandteil des Speiseplans geworden ist. Vorgestern sollte das Bauwerk fertig werden. Ich ahnte noch nichts Böses, als der Tischler mangels Babysitter sein Kleinkind mitbrachte. Kinder haben ein sicheres Gespür dafür, wie sie mit geringstem Aufwand die größtmögliche Wirkung erzielen. Die Kleine beförderte mit einem Fußtritt den Besen zur Seite, der die gesamte Schrankkonstruktion vorübergehend halten sollte. Und so brach alles zusammen und begrub den tischlernden Vater unter sich, dessen Kopfplatzwunde im Spital mit drei Stichen genäht wurde. In den Trümmern der Küche fand ich die Telefonnummer des fahrbaren Mittagstischs.

Werde ein paar Handwerkskurse an der Volkshochschule besuchen. Die nächste Katastrophe, die in diesem Hause passiert, will ich selbst anrichten.