Somalias Wölfe: Wir sind Lämmer

Auf äthiopischen Druck einigen sich Somalias Bürgerkriegsparteien auf Regionalisierung und einen Übergangsrat – zu einem unbestimmten Termin/ Geben sie ihre Waffen ab?  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Mit einem Festakt soll heute, zwei Wochen nach ihrer Eröffnung, die Nationale Versöhnungskonferenz für Somalia in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba zu Ende gehen. Zumindest einige der insgesamt 300 Vertreter von fünfzehn Bürgerkriegsparteien und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen haben Grund zum Feiern: Am Samstag abend unterschrieben die Konferenzteilnehmer ein Dokument, das eine neue Regierungsstruktur für das von Krieg und Hunger zerrissene Land vorsieht.

Laut der Vereinbarung wird Somalia in achtzehn Regionen aufgeteilt, die wiederum einige Kompetenzen auf Distriktebene verlagern; als übergreifende Instanz, die Somalia bis zu allgemeinen Wahlen regieren soll, wird ein Nationaler Übergangsrat gebildet. Von den 74 Ratssitzen erhalten die 18 Regionen je drei – davon wird jeweils einer für eine Frau reserviert. Die 15 Bürgerkriegsparteien bekommen je einen Sitz; die restlichen 5 Sitze gehen an Vertreter der Hauptstadt Mogadischu. Als einer davon wird Ali Mahdi gehandelt, der „Interimspräsident“ nach dem Sturz des Diktators Siad Barres 1991, der noch einen kleinen Bereich Mogadischus kontrolliert. Somit erhalten alle derzeit Mächtigen in Somalia Sitz und Stimme in den neuen Institutionen.

Viele Punkte bleiben in der Vereinbarung offen. Die Regionalisierung soll auch den Norden Somalias umfassen, der sich 1991 als „Somaliland“ unabhängig erklärte und an der jetzigen Einigung nicht beteiligt war; mit den nordsomalischen Behörden sollen jetzt „Verhandlungen“ aufgenommen werden. Wenig konkret ist auch die politische Ausgestaltung der Regionen selbst. Die Verhandlungen in Addis Abeba waren von heftigem Streit zwischen den Militärführern und Vertretern der „zivilen Gesellschaft“ bestimmt: Letztere wollten Somalias führenden Kriegsherren wie Mahdi, General Aidid oder General Morgan sowenig Macht wie möglich zugestehen. Diese wiederum mißtrauten jeder übergreifenden Struktur, die ihre Kontrolle über ihre Herrschaftsgebiete in Frage stellen könnte. Tagelang verweigerten die Kriegsführer, insbesondere General Aidid, ihre Unterschrift unter die im Prinzip bereits seit einer Woche fertige Vereinbarung. Am letzten Freitag drohten die an den Gesprächen beteiligten Frauen mit einem Hungerstreik; daraufhin gaben die Kriegführer nach. Daß die Unterzeichnungszeremonie am Samstag im äthiopischen Präsidentenpalast stattfand, macht deutlich, daß Äthiopiens Staatschef Meles Zenawi starken Druck hinter den Kulissen ausgeübt und womöglich Konzessionen zugunsten der Milizenführer ausgehandelt hat.

Ihre Unterschrift fiel schließlich um so leichter, wie ihnen der schwache Punkt der Vereinbarung bewußt ist: Sie soll erst nach einer freiwilligen Entwaffnung der somalischen Kriegsfraktionen in Kraft treten, wofür in dem Dokument eine Frist von 90 Tagen gesetzt wird. Wie das aber gehen soll, steht in den Sternen. Am 1. Mai wird das Kommando über die internationale Eingreiftruppe in Somalia an die UNO übergehen; der Weltsicherheitsrat verabschiedete am Freitag eine entsprechende Resolution. Der UNO-Beauftragte für Somalia, Jonathan Howe, hat aber zugleich unter Hinweis auf fehlende Mittel erklärt, die UNO werde am 1. Mai nur die Finanzierung der Eingreiftruppe übernehmen, nicht aber die militärische Verantwortung. Die Einigung von Addis Abeba fordert wiederum „strenge und effektive Sanktionen“ der Eingreiftruppe gegen Waffenstillstandsbrecher. Aber noch während der Gespräche tobten im südsomalischen Kismaju mehrmals heftige Kämpfe.

In weiser Voraussicht angesichts der verworrenen Lage nennt daher die Vereinbarung keinen Termin für ihre Verwirklichung. Die Somalis, so in betonter Zurückhaltung der stellvertretende UNO-Sonderbeauftragte Lansana Kouyate, wünschten die neue Regierungsstruktur „so bald wie möglich“.