■ Zum Ende des Trödelmarkts
: Lob dem Schmuddel

Der Kampf der Bürokraten gegen den Schmutz, den Kehricht und die Zusammenrottung der beunruhigenden Art hat die Geschichte des Trödelmarkts begleitet. Nach dem Mauerfall, als der Polenmarkt am Gleisdreieck zum Synonym einer neuen Zeit wurde, als sich dort die Rückkehr Osteuropas nach Westen vollzog und die Begegnungen der Menschen auf dem holprigen Gelände aufscheinen ließen, welches Europa die Verheerungen dieses Jahrhunderts zerschlagen haben, konterte die Verwaltung den neuen Grenzverkehr mit der Entsendung der Gesundheitspolizei. Was sich dort nahe des Potsdamer Platzes, auf dem vom Krieg zerquälten Brachland rekonstruierte, weckte in den Amtsstuben nur die Angst vor unkontrollierten Strömen.

Der finale Verwaltungsakt mag bürokratisch korrekt sein, er zeigt dennoch auf, daß der Waschzwang auf dem Wege zur Hauptstadt nicht geringer geworden ist. Wen überrascht, daß die Phobie vor dem Ungeordneten wächst in einer Zeit, wo Altes nicht mehr gilt und die Stadt neu zu denken ist. Da ersehnt sich der Zwangscharakter DIN-Normalformat und saubere Übersicht. Doch der Schmutz und die ungeordneten Verhältnisse gehören zu den Städten. Jede Stadt hat ihr Arschloch. Flohmärkte, chaotisch und pittoresk, gehören wie selbstverständlich zu anderen europäischen Großstädten. Den Trödelmarkt ersatzlos tilgen zu wollen oder vor die Tore der Stadt zu verlegen, verrät das mangelnde Selbstbewußtsein, wie es gewachsene Metropolen entwickeln konnten. Die Bezirke und der Senat brauchen sich freilich nicht einzubilden, per Federstrich seien die fliegenden Händler aus Osteuropa aus der Welt zu schaffen. Berlin braucht seine Freihandelszone, und wo ihr kein Raum gegeben wird, da sucht das Leben sich selber die Plätze – ohne Zustimmung der Bürokraten. Gerd Nowakowski

Siehe Bericht Seite 18