FDP steht zu Kinkel-Initiative

■ Nach Knast-Anschlag: Verfassungsschutz rechnet nicht mit tödlichen RAF-Attentaten/ Ermittler noch ratlos

Berlin (AFP/dpa/taz) – Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Eckart Werthebach, rechnet trotz des Anschlages auf den Gefängnisneubau in Weiterstadt „in absehbarer Zeit“ mit keinen weiteren Attentaten der Rote Armee Fraktion. Die RAF habe zwar nicht endgültig auf Mordanschläge verzichtet, zur Zeit wolle sie jedoch keine neuen Toten, „schon gar nicht unter der Bevölkerung“. Weitere Anschläge mit hohen Sachschäden seien jedoch möglich.

Das Bonner FDP-Präsidium hat sich hinter die „Kinkel-Initiative“ ihres Parteimitgliedes gestellt. Die FDP mißbilligte zwar den Anschlag in Weiterstadt zutiefst, sprach sich aber auch für eine überlegte und gelassene Reaktion aus. Es handele sich wahrscheinlich um den Versuch der RAF, durch taktische Anschläge Handlungsfähigkeit zu beweisen, sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende, Bauministerin Irmgard Schwaetzer. Die im Januar 1992 vom damaligen Justizminister Klaus Kinkel (FDP) auf den Weg gebrachte Initiative für eine Entspannung zwischen Staat und RAF habe auch nach dem Anschlag nichts von ihrer Bedeutung verloren. Das Präsidium plädiere dafür, diesen Weg weiterzugehen, auch wenn dies jetzt durch verhärtete Fronten erschwert sei.

Schwaetzers Parteikollege Burkhard Hirsch bemängelte weiter, daß der Staat bis heute „nicht erkennbar“ reagiert hat, obwohl die RAF vor über einem Jahr auf die „Fortführung der Gewalt verzichtet“ habe. Weder die Justizminister noch die zur Begnadigung Berechtigten hätten die „politische Kraft für ein Signal“ besessen.

Anders der CDU-Rechtsexperte Horst Eylmann. Er vertrat die Ansicht, der nächste Anschlag der RAF könne „durchaus wieder dem Menschenleben gelten“. Er glaubt, daß die RAF mit ihrem Vorgehen neue Mitglieder und Sympathisanten werben wolle – „Nach dem Motto: Schaut her, wie anständig wir doch sind im Vergleich zu den Rechtsextremen, die Ausländer töten. Wir zerstören nur staatliche Einrichtungen.“ Eylmann sprach sich in der Frage der Entlassung ehemaliger RAF-Mitglieder gegen einen „Handel“ mit der RAF aus. Generell wollte er vorzeitige Haftentlassungen aber nicht ausschließen.

Die niedersächsische Justizministerin Heidi Alm-Merk (SPD) warnte davor, die Inhaftierten in einer Art „Sippenhaft“ für das verantwortlich zu machen, was die RAF draußen verübe. Sie hielt die „Kinkel-Initiative“ auch nicht für gescheitert, da die Verfahren im Moment bei den Gerichten lägen. Von dem Anschlag auf das Gefängnis gehe die Botschaft aus, die RAF wolle endlich Freiheit für die Häftlinge. Gegen Verhandlungen des Staates mit der RAF hat sich dagegen der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Wilfried Penner, ausgesprochen.

In einem neuen Fahndungsaufruf des Bundeskriminalamtes richtet sich das Interesse jetzt vor allem auf den gestohlenen VW- Transporter, in dem die Täter die Wachmannschaft einsperrten. Eine heiße Spur ist aber nicht in Sicht. Die Bundesanwaltschaft hat für Hinweise eine Belohnung von insgesamt 100.000 DM ausgesetzt.