Nazi-Provokateure unpolitisch?

■ Erst seit dem Pogrom von Hoyerswerda im Herbst 91 nimmt der Verfassungsschutz die Politkontakte rechter Skins wahr

Jahrelang wurden von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz die etwa 6.000 Skinheads mit rechtsextremem Hintergrund als spontane, regional beziehungsweise lokal begrenzte Zusammenschlüsse einer unpolitischen Subkultur abgehandelt. In den Verfassungsschutzberichten tauchten die offen rassistischen und antisemitischen Skinzines (Broschüren mit rechtsradikalem Inhalt) oder Skinhead-Bands nicht auf.

Das änderte sich erst nach der Welle der rassistischen Übergriffe und dem Pogrom von Hoyerswerda im Herbst 1991. „Die bisherige Einschätzung, daß das vielfach neonazistisch geprägte Erscheinungsbild dieser Kreise überwiegend der Provokation der Gesellschaft diene und nur vereinzelt eine politische Überzeugung widerspiegele, ist aufgrund des neueren Erkenntnisstandes überholt“, zeigte sich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz denn auch Mitte 1992 ungewohnt lernfähig.

Seit dieser Zeit sind Skinhead- Gruppen zwar Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes, wurden im letzten halben Jahr 23 Platten, Musikkassetten und CDs auf den Index gesetzt, Texte von Skinbands als jugendgefährdend indiziert und strafrechtlich als Aufstachelung zum Rassenhaß verfolgt. Die indizierten Platten werden aber unter dem Ladentisch weiter verkauft. Die Existenz von bundesweiten Strukturen, die engen Kontakte von Skinmusikern und organisierten Rechtsextremisten werden jedoch nach wie vor geleugnet.

So werden in Skinzines mit Namen wie Clockwork Orange, Der Angriff, Blitzkrieg, Proißens Gloria, Volkstreue oder Ketzerblatt FRONTAL nicht nur die Auftritte der rassistischen Skinbands gefeiert, sondern auch für den Ku-Klux- Klan oder rechtsextreme Organisationen wie die verbotenen Parteien „Nationale Offensive“ (NO) und „Nationalistische Front“ (NF) oder die „Freiheitliche Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) geworben.

Kein Wunder, stehen doch Skinmusiker und Skinzine-Macher oft entsprechenden politischen Gruppierungen sehr nahe. Bereits 1987 erkannte die in Coburg mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren erscheinende rechtsextreme Zeitung Nation + Europa die Zeichen der Zeit: Man gab ein Themenheft „Skinheads – Buhmänner der Jugendkultur“ heraus. „Wir müssen uns dieser jungen Deutschen annehmen und froh sein, daß es nicht angepaßte junge Deutsche gibt“, schrieb der damalige Alleinherausgeber Peter Dehoust. Er sah es als seine Aufgabe an, die Skins „für das Volksganze“ zu gewinnen und zu versuchen, ihnen den Weg dorthin zu zeigen.

Texte und Namen der Skinbands sprechen für sich

Insbesondere NF und FAP haben in der Vergangenheit erfolgreich neue Mitglieder aus der Skinszene rekrutiert. Der zeitweilige Chef der „Nationalistischen Front“ und jetzige führende Kopf des „Förderwerks Mitteldeutsche Jugend“, Andreas Pohl, war selbst Schlagzeuger der Berliner Skinband „Kraft durch Froide“, NO-Chef Michael Swierczek Gitarrist der Band „Kruppstahl“.

Aus dem Mitteilungsblatt des FAP-Kreisverbandes Essen wurde das Skinzine „Querschläger“, das ehemalige NF-Mitglied Andreas Gängel vertreibt Skinplatten in seinem „Endsieg-Versand“, dem Macher des Plattenlabels „Rock- o-Rama“ in Brühl bei Köln, Herbert Egoldt, werden Verbindungen zu NPD und FAP nachgesagt. Torsten Lemmer managte nicht nur „Störkraft“, die wohl prominenteste deutsche Skinband, sondern war bis vor kurzem auch Geschäftsführer der Fraktion der „Freien Wählergemeinschaft“ im Gemeinderat von Düsseldorf. Zusammen mit dem „Störkraft“-Sänger Jörg Petritsch hat er sich Anfang Februar 1993 in die Riege der Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift Europa vorn eingereiht, der zu Rostock die Titelzeile „Brave Bürger brennen Asylantenheim nieder“ eingefallen war.

Die Texte und Namen der Skingruppen sprechen für sich. Sie nennen sich Radikahl, Werwolf, Oberste Heeresleitung, Störkraft, Tonstörung oder Noie Werte. Gegen Störkraft (Köln), Tonstörung (Mannheim) und Radikahl (Nürnberg) hat die Staatsanwaltschaft inzwischen Ermittlungen und Hausdurchsuchungen eingeleitet, die Kontake von „Kraftschlag“ zum Ku-Klux-Klan waren Grund für eine großangelegte Razzia in Schleswig-Holstein.

Gemeinsame Auftritte von diesen Bands mit der 1977 gegründeten englischen Kultband „Skrewdriver“ stehen auf der Hitliste der Skins. „Skrewdriver“ spielte bereits mehrfach in Deutschland, darunter im Herbst 1991 auf Einladung der Cottbusser DA. Im Vorfeld randalierten Angehörige der „Skrewdriver Security“ (abgekürzt „SS“), bei einer Messerstecherei. Unter Beteiligung des Gitarristen wurde ein Mann schwer verletzt.

Skrewdriver-Chef Ian Stuart Donaldson, der aus dem Umfeld der neofaschistischen „National Front“ kommt, hat um die Band herum ein Netzwerk mit dem Namen „Blood and Honour“ aufgebaut. Gruppen wie „No remorse“ (Keine Gnade), „Skullhead“ (Totenkopf) und „Brutal Attack“ gehören dazu. Daneben bestehen ausgezeichnete Kontakte nach Schweden zum „Weißen Arischen Widerstand“ (VAM), in die USA zum Ku-Klux-Klan und auch in die Bundesrepublik Deutschland. Peter Meyer