Kroatische Regierung zurückgetreten

■ Kabinett Srainić in Finanzskandal verwickelt/ Präsidenten Tudjman und Izetbegović beschließen gemeinsames Oberkommando für Bosnien

Split (taz) – Überraschend ist gestern die Regierung Kroatiens zurückgetreten. Nikica Valtenić, der Chef der kroatischen Erdölgesellschaft INA, wurde mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Offiziell wird der Rücktritt damit begründet, daß nach den Kommunalwahlen im Februar nun die Möglichkeit gegeben sei, ein längst überfälliges grundsätzliches Revirement der Regierung durchzuführen. Inoffiziell jedoch verlautet, daß hinter dem Regierungswechsel die Involvierung einiger Minister in verschiedene Finanzskandale steht. Der Kroatia- Finanzskandal hatte schon seit Wochen immer wieder die Öffentlichkeit bewegt.

Schwerer wiegt, daß es der Regierung nicht gelungen ist, die erheblichen monetären Probleme in den Griff zu bekommen. Die Inflation hat nun schon eine Marge von 30 Prozent pro Monat überschritten. Ein konsistenter Plan für die Gesundung der Wirtschaft existiert nicht. Die Entschuldigung, das Land befinde sich immer noch im Krieg und ein Drittel des Territoriums sei besetzt, mögen viele Bürger nicht mehr hinnehmen.

An der dalmatinischen Küste ist zudem die Wirtschaft durch den Energiemangel stark betroffen. Strom ist nur wenige Stunden pro Tag verfügbar. Werkstätten und Fabriken stehen still. Da am Wochenende ein Sturm auch noch Oberleitungen zerstört hat, wird die gesamte Region Magarska für zwei Wochen ohne Elektrizität bleiben. Regionale Politiker kritisierten Zagreb scharf, weil auf die Gefahr des Energiemangels schon lange aufmerksam gemacht wurde.

Überraschend haben sich die Präsidenten Bosniens und Kroatiens, Izetbegović und Tudjman, darauf geeinigt, in Bosnien ein gemeinsames Oberkommando zu bilden, um die Aktivitäten der bosnischen und kroatisch-herzegowinischen Armee besser zu koordinieren. Über die Erfolgsaussichten dieses Unterfangens bestehen erhebliche Zweifel, sind doch alle diesbezüglichen Anstrengungen seit einem Jahr im Sande verlaufen. Im Gegenteil: die Alliierten sind Ende Januar in den bosnischen Städten Gorniji Vakuf und Busovaca heftig aneinandergeraten. Aus diplomatischen Quellen verlautet allerdings, seit Izetbegović den Vance-Owen-Plan in New York unterschrieben habe, könnte sich der Druck von seiten der USA und Deutschlands auf Kroatien verstärkt haben, endlich mit der bosnischen Seite gemeinsame Anstrengungen für die Verteidigung der Region zu unternehmen.

Trotz der serbischen Drohungen, alle Flugzeuge über Bosnien abzuschießen, wenn ein deutsches Flugzeug bei der Versorgung der muslimanisch-bosnischen Enklave Srebrenica teilnehmen würde, ist in der Nacht zum Montag eine deutsche Maschine beteiligt gewesen. Zwischenfälle wurden nicht bekannt. Offenbar ist die serbische Seite von der festeren Haltung gegenüber ihrer Politik aus Washington beeindruckt.

Ein Offizier der bosnisch-serbischen Armee wurde verhaftet, weil er vorige Woche UN-Hubschrauber über Srebrenica beschießen ließ. Auch das Einhalten der Waffenruhe seit Sonntag mittag kann als Indiz dafür gewertet werden, daß die serbische Seite den Bogen jetzt nicht überspannen will. Serbenführer Karadžić erklärte jedoch im serbischen Rundfunk, er könne sich eine Rückkehr zu den Verhandlungen über Bosnien- Herzegowina nicht mehr vorstellen. Izetbegović erwiderte, er werde seine eigene Unterschrift unter das Dokument für gegenstandslos erklären, falls Karadžić den Plan nicht in den nächsten zehn Tagen unterschreibe. Erich Rathfelder