rakt: tsatzrakt. wuss, la; albu?

■ Multumedial ausgefeilt, aber leblos: Das Bremer Podium mit Josef Anton Riedl und dem Ensemble für percussive Kunst

Die zweimal zweiundzwanzig Trommeln waren so laut, daß die Gongs auf der anderen Seite des Sendesaals von Radio Bremen mitklangen. Dann, zwischen den Trommelkaskaden, zum Ohrenspitzen leise Einzelklänge. Edgar Guggeis und Werner Hofmeister vom Ensemble für percussive Kunst spielten das für trommeln II von Josef Anton Riedl beim Bremer Podium wirklich meisterhaft. Das Publikum verzichtete am Montag abend dennoch darauf, sich eine Zugabe zu erklatschen.

Wie immer beim Bremer Podium von Radio Bremen ging dem Abendkonzert ein Workshop am nachmittag voraus. Josef Anton Riedl präsentierte den leider nur spärlich erschienen Musikinteressierten zunächst eine Diareihe, die seine Multimedialen Arbeiten illustrieren sollten — der 1929 geborene Komponist hat sich schon seit den fünfziger Jahren mit musikübergreifenden Konzepten und der Suche nach neuen Klangmöglichkleiten beschäftigt. Seine aufwendigen Film- Dia-Klang-Environments waren bisher in fast allen Musikmetropolen zu erleben. Als Bildmaterial dienen hierbei Fotographien von Kristallen, Blicke durchs Elegtronenmikroskop, Naturstrulturen, Comuputer- und Menschengraphiken. Für die Musik bearbeitet Riedl neben elektronischer Musik er auch vorgefundene, „konkrete“ Bandaufnahmen. Zudem verwendet er Materialien wie Glas und Papier in orchestralem Ausmaß als alternatives Instrumentarium.

Leider benötigten diese — für sich genommen natürlich interessanten — etwa 160 Dias, angereichert mit kurzen Klanghäppchen und einer Filmdokumentation seiner Paper Music den allergrößten Teil des Workshops, so daß die Stücke des abendlichen Konzertes fast gar nicht mehr zur Sprache kamen. Das Konzert bot vor allem percussive Musik Riedls. Hierzu gehören auch die „Lautgedichte“, in denen aus Zitaten entnommene

Lautgedichte und Klatschen: Josef Anton Riedl beim Bremer PodiumFoto: Jörg Oberheide

Buchstabengruppen, Klatschen und ähnliche Geräusche das mu- sikalische Material bilden, ohne dabei Sinnzusammenhänge ent

lieber Dieter

hierhin bitte den Mann

am Pult

stehen zu lassen: „rakt: tsatzrakt.wuss, la; albu?“

Als multimedialer Anteil des Programms war die Auseinan

dersetzung des Komponisten mit dem surrealistischen Stummfilm „Un chien andalou“ (1922) von Luis Bunuel und Salvatore Dali zu sehen und zu hören: Die Musik — vor dem Film beginnend — war nicht direkt auf die Handlung bezogen und illustrierte sie trotzdem auf teilweise beklemmende Weise. Die anschließende — komponierte — Stille im verdunkelten Saal wurde leider vom Applaus durchbrochen.

Multimedial war auch ein anderes Werk: in zeichnen — klatschen/zeichnen - zeichnen malte ein Musiker (Michael Hirsch) eine graphische Komposition Riedls auf eine Wandtafel — die dabei entstehenden Geräusche wurden mit Kontaktmikrophonen übertragen; andere Musiker interpretierten die Vorlage mit Händereiben, Klatschen und anderen Geräuschen.

Bei aller hochkompetenten Interpretation durch die Musiker des Ensembles für percussive Kunst , bei allen ausgefeilten multimedialen Ereignissen: was Josef Anton Riedls Musik an diesem Abend vermissen ließ, war Lebendigkeit.

Wilfried Wiemer