Rostrote Ansichten von Klöckner

■ Die Indutriemalerin Lisa Loviscach war eineinhalb Jahre auf der Hütte / Gegen das bürgerliche Kustverständnis

Auqarelle aus dem Inneren des Molochs

„1982 war ich die erste Malerin auf dem Klöckner-Werksgelände. Die erste in den Stahlwerken überhaupt“, erinnert sich Lisa Loviscach. 18 Monate lang war sie damals jeden Tag auf das Klöckner-Gelände gefahren, um zu malen: Rostrote Ansichten aus dem Innern des Molochs. Schornsteine, Rohre und Industriegebäude — nichts, was man von außen sehen könnte. Und

Lieber Dieter

hierhin bitte die Zeichnung

manches, was heute schon abgerissen ist, wie das Eisenwerk zum Beispiel.

Eine Auswahl dieser Bilder ist noch drei Wochen in der Medoc- Kneipe im Viertel zu sehen. „Ein solidarischer Gruß von Belegschaft zu Belegschaft,“ sagt die damalige Malerin und heutige Mitinhaberin der Kneipe. Denn ein bißchen hängt sie immer noch an ihrer Klöckner-Zeit.

Rund 200 detailgenaue Aquarelle und Zeichnungen hat sie von der Hütte gemalt. Dabei wollte anfangs niemand bei Klöckner eine Malerin auf dem Gelände haben. Ihre erste offizielle Malerlaubnis war deshalb nur einen Tag gültig: „Die vom Vorstand haben ernsthaft gedacht, ich kann in einem Tag was malen!“ Darüber ist Lisa Loviscach noch heute eingermaßen konsterniert. Aber im entscheidenden Moment verbiß sie sich die künstlerische Entrüstung und griff zu: Zu der Ein-Tags-Erlaubnis kam noch ein Tag und noch einer. Dann eine Woche und noch eine. Am Ende blieb sie eineinhalb Jahre.

Besonders hart waren die ersten vier Monate ihrer Industrie- Malerei: „Da habe ich jedes Bild weggeworfen!“ Schon der Gedanke, am nächsten Tag vielleicht nicht mehr malen zu dürfen, verhinderte die Malerei: „Das war Streß!“

Malstreß, aber vom

Klöckner-Infekt befallen

Aber Lisa Loviscach war verrückt nach Klöckner und deshalb zu Kompromissen bereit. Den Klöckner-Infekt hatte sie sich beim Landschafts-Malen in Seehausen zugezogen, als hinter Wiesen und Weser immer dieses Stahlwerk emporragte. Weil die Malerin war von der Industrielandschaft begeistert war, setzte sie sich in ihr Auto und fuhr hin. „Ganz hemdsärmelig und vielleicht ein bißchen naiv“, gibt sie heute zu, „bin ich am Werkszaun entlang geschlichen.“ Aber da kommt kein Mäuschen rein und als sie ihr Ziel am Pförtner vorbei erreichen wollte, lachte der sie aus.

Aber sie schaffte es und nach einer Weile gehörten sie und ihr Atelier-Auto zum Betrieb. „Da kommt die Amazone!“ sagten alle. „Die hatten sich schon an mich gewöhnt.“ Amazone, so hieß ihr Volvo, in dem sie Tag für Tag sechs bis acht Stunden arbeitete. Bei Regenwetter und Kälte, egal: „Das sinnliche Erleben ist Bestandteil meiner Kunst. Sonst hätte ich auch Fotos abmalen können“, sagt sie heute. Aber das wäre das letzte gewesen, was sie wollte. Dampf und Staub, dieses irre Stahlwerk mußte sie selber erleben, um es zu malen.

Stahlwerk im mediterranen Sommerlicht - keine Blumen

Ein Stück rostig-rote Dokumentation ist entstanden. „Diese Farbtöne sieht man heute anders, aber 1982 hatten wir einen südfranzösischen Sommer“, sagt sie. Und diesen Sommer kann man den Bildern ansehen, wie die Tageszeiten, zu denen sie gemalt wurden. Blumen sind auf den Bildern nicht zu sehen, obwohl es die auf dem Werksgelände gibt. Bei Klöckner hätte man ein paar Blümchen unten im Bildausschnitt gerne gesehen. Lisa Loviscach hat diese Erwartungen nicht erfüllt: „So ein bürgerliches Kunstverständnis ist mir zuwider!“ Eva Rhode

„Das Stahlwerk" noch drei Wochen im Medoc, Friesenstraße