Weniger Jobs für Studis

■ Starker Rückgang in Westberlin/ Hoffnung auf Dienstleistungsgewerbe

Berlin. Wer nicht Kind spendabler und wohlhabender Eltern ist, braucht als Student einen Job. Eine schlichte Rechnung, die jedoch für viele Studenten angesichts der wirtschaftlichen Flaute immer weniger aufgeht. Denn das Angebot an Jobs bei den Vermittlungsdiensten wird zunehmend schlechter. Ursula Ritter, Leiterin der Arbeitsvermittlung „Heinzelmännchen“ an der FU, hat schon im vergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang im Angebot beobachtet. Ihre Prognose für 1993: „Es wird eher noch schlechter.“ Derzeit, so ihre Schätzung, bekämen täglich nur 50 von rund 300 bis 400 Studenten, die sich in der Thielallee 38 einfinden, eine Arbeit.

Ähnlich trist wird die Lage auch vom gemeinnützigen Verein „Tusma“ beurteilt, der 1949 von Studenten des Sozialreferats der TU gegründet wurde und mittlerweile zwei Büros in der Hardenberg- und Clara-Zetkin-Straße betreibt. „Wir können täglich nur rund ein Fünftel der Anfragen abdecken“, erklärt Vorstandsmitglied Heiko Ahrens. Allein im Westteil vermittelte Tusma im vergangenen Jahr rund 15.000 Jobs weniger als noch 1991. Und der Trend setzt sich fort, wie die neuesten Tusma-Zahlen für Januar und Februar zeigen: Allein im Westen sank die Vermittlungsquote um sieben Prozent. Zwar wird die Tusma-Statistik im Osten der Stadt mit rund 10.000 zusätzlichen Jobs im Jahr 1992 ein wenig beschönigt. Doch verzerren diese Zahlen die angespannte Lage, denn das Büro in der Clara-Zetkin-Straße wurde erst Ende 1990 gegründet und muß nun nach einem anfänglichen Vermittlungsboom kleinere Brötchen backen.

Die Sorgen der beiden Vermittlungsdienste ähneln sich: Aus der Industrie, die sich seit geraumer Zeit aus Berlin zurückzieht und in vielen Bereichen einem Strukturwandel unterliegt, laufen kaum noch Angebote ein. Und im Ostteil, wo viele Betriebe um ihre nackte Existenz kämpfen, sind Jobs kaum zu erwarten. Gesetzt wird daher auf die Dienstleistungsbetriebe, etwa in den Neuen Medien, beim Marketing und in der Werbung. Gerade in Ostberlin macht Ahrens von Tusma verstärkt Nachfragen von Meinungs- und Umfrageinstituten aus.

Unterschiede zwischen Ost- und Weststudenten bestehen nach wie vor. Tusma-Vorstandsmitglied Heiko Ahrens hat festgestellt, daß die Oststudenten in ihrer Mehrheit das Jobben auf die Semesterferien begrenzen. Eine Tendenz haben die Tusma-Mitarbeiter jetzt schon für Gesamtberlin ausgemacht: Das künftig schmaler werdende Angebot zwinge die Studenten mehr und mehr, die vermittelten Jobs in feste Arbeitsverhältnisse umzuwandeln. Severin Weiland