Ist der Bauhof Gleisdreieck rechtswidrig?

■ Juristen haben Bedenken gegen Errichtung eines Betonmisch- und Stahlbiegewerks für die Potsdamer-Platz-Bauten / Bauverwaltung und Reichsbahn widersprechen / Veranstaltung mit 150 Gästen

Berlin. Bei den Vorbereitungen der Bauarbeiten für den Potsdamer Platz und die Tunnel unter dem Tiergarten verstößt der Senat möglicherweise gegen geltendes Recht. Auf einer Veranstaltung zur künftigen Nutzung des Gleisdreiecks am Dienstag abend sagten zwei Juristen, daß ein auf der Anlage geplantes Betonmisch- und ein Stahlbiegewerk nicht gebaut werden dürften. Die von der Senatsbauverwaltung beabsichtigte Ausnahmegenehmigung sei unzulässig, meinten Volker Stein, Planungsrechtler des Kreuzberger Bauamtes, und Stefan Klinski, ein aufs Umweltrecht spezialisierter Jurist. Die beiden Verarbeitungswerke sind wesentlicher Bestandteil des sogenannten Baulogistikzentrums. Über dieses Zentrum sollen mehrere Millionen Tonnen Bauschutt und Bodenaushub mit Schiff und Bahn abtransportiert, Baumaterialien herangeholt und verarbeitet werden.

Die von 150 Leuten besuchte Veranstaltung war von den Baustadträten aus Kreuzberg, Schöneberg und Tiergarten – die von den Bauarbeiten unmittelbar betroffenen Bezirke – gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Gleisdreieck und dem Stadtteilverein Tiergarten initiiert worden. Die anwesenden Vertreter der Senatsbauverwaltung und der Deutschen Reichsbahn widersprachen der Rechtsauffassung der Anwälte. Ullrich von Bismark (Bauverwaltung) sagte, das geplante Betonmisch- und Stahlbiegewerk diene unter anderem dem Bau der Eisenbahntunnel unter dem Tiergarten. Als Anlagen, die dem Bahnbetrieb dienten, dürften sie auf Bahngelände gebaut werden, geltende Gesetze würden eingehalten.

Doch Baustadträtin Erika Romberg (AL) ließ sich von Bauverwaltung und Reichsbahn nicht beeindrucken. In einer zwei Leitz- Ordner dicken „Machbarkeitsstudie“ zum Bauglogistikzentrum im Auftrag der Bauverwaltung waren die juristischen Probleme mit lediglich zwei Sätzen behandelt worden. Romberg warf Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) deshalb vor, auf dem Gleisdreieck nicht nur Stahl, sondern auch das Recht biegen zu wollen.

Vor allem aus ökologischen Gründen – das Gleisdreieck wird von den Bezirken als „grüner Lunge“ erhebliche Bedeutung beigemessen – favorisisierte Romberg, daß Zementwerk und Stahlbiegeanlage auf der Baustelle am Potsdamer Platz selbst angesiedelt werden. Doch Verwaltungsmitarbeiter von Bismark und der an der Machbarkeitsstudie beteiligte Ingenieur Franz von Mandach hielten die Vorschläge von Romberg für nicht realisierbar. Die Baustadträte bemängelten darauf, daß von Verwaltung zwar vieles als unrealistisch abgetan werde, aber diese Behauptungen kaum nachprüfbar seien. Denn die Bauvorhaben seien erst sehr spät und ungenügend den Bezirken vorgestellt worden.

Welche Rolle die juristischen Fragen spielen werden, war auf der Veranstaltung nicht abzusehen. Rechtsanwalt Klinski warnte Anwohner des Bahngeländes und Initiativen allerdings vor Optimismus. Denn auf Grund einer komplizierten Gesetzeslage sei ihnen unter Umständen das Klagen verwehrt. Dirk Wildt