Das Schwein bestimmt das Bewußtsein Von Thomas Pampuch

Homo homini lupus, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, heißt der altwahre Spruch, den Plautus (amüsanterweise in der Eselskomödie) zum Verständnis des menschlichen Bestiariums geprägt hat.

Künftige Generationen – so es sie geben sollte – werden, wenn sie sich die dann angegrauten Leitartikel dieser Monate zu Gemüte führen, das Frühjahr 1993 vielleicht einmal als den Umschlag des Wolfszeitalters ins Schweinezeitalter deuten, oder besser – je schweinischer desto lateinischer – ins saeculum porcus.

Denn von Spiegel bis Woche, von Zeit bis SZ werden sie gelehrte Analysen aus dem Koben finden, so als sei Deutschland in jenem Frühling ganz plötzlich zu einer Art Grunzrepublik mutiert. Da wollen wir nicht abseits stehen und auch ein bißchen mitquieken. Von der „galoppierenden Auszehrung konsensstiftender Werte“ ist die Rede, von der „Mafiarepublik“, dem „Versagen der politischen Moral“, dem „Korrumpieren der jungen deutschen Republik“, und was der starken Begriffe mehr sind.

Kein Sozio- und kein Politologe, kein Berufsmeiner und schon gar kein Politiker der jeweils gerade mal nicht betroffenen Seite, der nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlüge angesichts dessen, was sich unsere Regierenden so alles an Schweinereien leisten. Ein Düftchen hat sich übers Land gelegt, jedermann hält sich die Nase zu und deutet auf die überall sprießenden Borsten.

Doch halt. Wer sich die Nase zuhält, kommt nicht umhin, sich dabei an die eigene zu fassen. Was zum Teufel erwarten wir eigentlich? Wieso soll ein Krause, ein Waigel, ein Jansen, ein Möllemann besser sein als wir? Was steckt da für ein verquastes moralisches Führertumsdenken dahinter, wenn wir von den von uns Gewählten eine Sauberkeit verlangen, die wir selber bei jeder Steuererklärung – vielleicht ja sogar zu Recht – verlachen?

Was wollen wir denn? Die Herrschaft der Saubersten? Mutter Teresa als Präsidentin? Albert Schweitzer als Verkehrsminister? Und dann aber doch weiter Autofahren wie die Blöden, Spesenreiten (auch Du mein Sohn Spiegel- Redakteur) und Schwarzarbeiten, Staatsknete abzocken, wo's geht, und Kaffee für 4,99, die neuste Honda und die nächste Urlaubsreise auf die Seychellen, und alles aber bitte mit Arbeitsplatzgarantie, gesicherter Rente und der (möglichst militärisch abgesicherten) Gewißheit, daß uns die Dritte und Vierte Welt nicht die Hölle heißmachen.

Nein, nix da, jedes Volk hat die Regierung, die es verdient, und wir haben nix Besseres verdient als Krause & Co. Der ist in seiner Raffgier sogar ein hervorragender und idealtypischer Vertreter unseres gesamtdeutschen gemeinen Wesens. Wo sollen denn um Gottes Willen die Ersatzheiligen an der Staatsspitze herkommen? Aus unserer Mitte? Aber da kommen sie doch her.

Wie das G'scherr so der Herr, heißt es in der Demokratie. Richtig so! Sagt hier jemand Verdrossenheit? Na klar, aber immer! Nur bitte nicht allein über die Politiker. Ein bißchen mehr Selbstverdrossenheit, wenn's recht ist: Homo homini porcus. Homo homini Krausus. Oder, wie es olle Marx gesagt hätte: Das Schwein bestimmt das Bewußtsein.