In Südafrika sind noch viele Kompromisse nötig

■ Beginn der Allparteienkonferenz/ Gemeinsame Truppen und Regionalisierung umstritten/ Sorge vor Dominanz von ANC und amtierender National Party

Johannesburg (taz) – Die Arme fuchteln ziellos in der Luft, die Schultern schütteln sich heftig, der Kopf hängt zur Seite – in Südafrikas Townships ausgedacht, erfreut sich in der Johannesburger Disco „Razmatazz“ neuerdings ein Tanz großer Beliebtheit, den die Erfinder nach der im letzten Jahr gescheiterten „Konferenz für ein demokratisches Südafrika“ benannten: Codesa. Während sich aber Teenies und Twens im „Razmatazz“ mit dem verhohnepipelnden Tänzchen begnügen, beantragte ein Fußballverein aus der Gegend von Kapstadt offiziell die Teilnahme an der Allparteienkonferenz, die am heutigen 1. April, dem „Fools Day“ (Narrentag), ihre Verhandlungen wieder aufnehmen wird.

Dabei haben die amtierende weiße Minderheitsregierung unter Präsident Frederik W. de Klerk und die Anti-Apartheid-Allianz „African National Congress“ (ANC) den Rahmen der Demokratisierung längst festgesetzt. In diesem Jahr sollen vom weißen Minderheitsparlament die Vorbereitungen für den endgültigen Übergang geschaffen werden. Mitte kommenden Jahres werden voraussichtlich die ersten freien und allgemeinen Wahlen in der Geschichte Südafrikas stattfinden. Rund 21 Millionen wahlberechtigte Südafrikaner bestimmen eine Verfassunggebende Versammlung, die zwölf Monate später zum Übergangsparlament wird. Eine „Regierung der Nationalen Einheit“ soll bis 1999 amtieren. Erst zur Jahrhundertwende wählt Südafrika sich dann erstmals eine Mehrheitsregierung.

Einen „historischen Kompromiß“ nannte der Autor John Battersby die Vereinbarung in der letzten Ausgabe der Quartalsschrift Towards Democracy. Der Kompromiß erstreckt sich aber nicht auf die Frage der Sicherheitskräfte, die pünktlich zum Beginn der Verhandlungen neuen Zündstoff erhielt. Der ANC will alle Streitkräfte, Polizei, die Truppen der von Südafrika eingerichteten Schwarzenreservate und die bewaffneten Teile der Widerstandsorganisationen noch vor den Wahlen unter eine gemeinsame Kontrolle stellen. Aber Polizeiminister Hernus Kriel steuerte auf Konfrontationskurs. Viele Mitglieder der ANC-Untergrundarmee „Umkhonto we Sizwe“ seien Kriminelle. Der Versuch, die Sicherheitskräfte unter gemeinsame Kontrolle zu bringen, sei eine durchschaubare Verschwörung.

Kriel wörtlich: „Die Polizei und Armee werden für Ruhe und Orndung sorgen, egal was passiert.“ Sein harter Ton kommt vor dem Hintergrund wachsender Hysterie unter der weißen Minderheit. Kriminalität und Anschläge haben sie heftig verunsichert. Südafrikas Regierung glaubt zudem, daß sich Teile der ANC-Untergrund-Bewegung wegen wachsender Unzufriedenheit mit der Führung von Nelson Mandela in einem Radikalisierungsprozeß befinden.

Das Militär bestimmt den Rahmen für Reformen

Schon nach dem Scheitern der Codesa-Verhandlungen hatten die Sicherheitskräfte deutlich gemacht, daß sie den Rahmen für Reformen setzen. Im September ließen die Soldaten des Schwarzenreservats Ciskei auf Zehntausende von Demonstranten schießen. ANC-Präsident Nelson Mandela änderte darauf die Strategie und näherte sich der Regierung an. Die Verständigung zwischen den beiden einstmaligen Gegnern sorgt für so viel Unbehagen, daß zum Beispiel Clem Sunter, der Direktor der Gold- und Uranabteilung von Südafrikas Monopolkonzern Anglo-American, warnt: „Wir brauchen Garantien, daß sich eine nicht erfolgreiche Regierung auch einer zweiten Wahl stellt.“ In einer Regierung der nationalen Einheit sollen zwar alle Parteien vertreten sein, die mehr als fünf Prozent erhalten. Doch der ANC mit seiner massiven Wählerunterstützung und die amtierende Nationale Partei (NP) mit der Kontrolle über den staatlichen Apparat werden im „neuen Südafrika“ gemeinsam ein schier unüberwindliches Übergewicht erhalten.

Wahlkampfrhetorik überdeckt derzeit die gemeinsamen Interessen der „politischen Elefanten“ am Kap. Aber der Politikwissenschaftler Mervyn Frost von der University of Natal in der Küstenstadt Durban malt bereits das Schreckgepenst einer aus NP und ANC bestehenden Zwei-Parteien-Diktatur an die Wand: „Der Einheitsstaat Südafrika kannte 45 Jahre lang keine Kontrollmechanismen gegenüber der Regierung. Der Mißbrauch der Macht war unerhört. In einem von ANC und NP regierten Einheitsstaat würde es nicht anders aussehen.“

Frost will diese Entwicklung mit einem föderalen Staat verhindern. Auch Mohammed Valli-Moosa, einer der wichtigsten Unterhändler des ANC, weiß nichts gegen die Regionalisierung einzuwenden: „Unsere Verfassungsexperten besuchten bereits mehrmals Deutschland und waren von dem dortigen System sehr beeindruckt. Mehrere unserer Vorschläge beruhen auf dem deutschen Modell.“

Dem Politologen Frost behagt nicht, daß Bundesrecht im Zweifel regionales Recht brechen kann, und ruft deshalb auf: „Wir brauchen eine Zusammenarbeit von Parteien, die dies verhindern wollen, bevor die Multi-Parteien-Konferenz sich trifft.“ Auch ohne diesen Aufruf würden die kommenden Wochen von der Diskussion um Südafrikas Regionalisierung gekennzeichnet. Die konservative Schwarzenorganisation Inkatha, so drohte deren Chef Buthelezi, könnte den weiteren Übergang torpedieren, falls die Regionalisierungsforderungen nicht erfüllt würden. Seine Parteigenossen schlossen Gewalt nicht aus.

Die vorwiegend aus Zulu-Mitgliedern bestehende Gruppierung dürfte allenfalls in der Provinz Natal Chancen besitzen. Buthelezi, derzeit Regierungschef im Schwarzenreservat Kwa Zulu, beharrt auf einer regionalen Absicherung, die ihm eine politische Zukunft sichert. Anders als NP und ANC, die die endgültige Dezentralisierung zwischen Bundesstaat und Zentralregierung von der Verfassunggebenden Versammlung klären lassen möchten, verlangt der Inkatha-Chef Garantien schon während der Parteiengespräche. „Der Kompromiß“, so Battersby in Towards Democracy, „muß vor allem zwischen dem ANC und Inkatha gefunden werden.“ Angesichts der Härte, mit der sich die beiden Seiten in der Provinz Natal bekämpfen, wahrlich ein Kompromiß, der laut Battersby „so dramatisch und in seinen Auswirkungen so weitreichend sein wird wie der historische Kompromiß zwischen ANC und Regierung im Februar“. Willi Germund