Ein Motor ist ein Motor ist ein Motor

Volkswagen will die Kosten senken – im ersten Quartal 1993 1,25 Milliarden Mark Verlust  ■ Aus Wolfsburg Donata Riedel

Ferdinand Piech will die Notbremse ziehen. „Wir brauchen deutlich weniger Autos“, sagte der Vorstandsvorsitzende des größten europäischen Automobilkonzerns gestern auf seiner ersten Bilanz- Pressekonferenz als VW-Chef. Die Selbstbeschränkung beim Ausstoß von Volkswagen, Audis, Seats und Skodas auf 3,3 Millionen Stück in diesem Jahr ist allerdings weniger dem Klima als der katastrophalen Konzernbilanz geschuldet: Allein im ersten Quartal dieses Jahres machte Volkswagen 1,25 Milliarden Mark Verlust, nach einem (bezogen auf den Umsatz von 85,4 Milliarden Mark) leichten Gewinn von 147 Millionen Mark im vergangenen Jahr. Zum Vergleich: 1991 hatte der Konzern noch 1,114 Milliarden Mark Gewinn erwirtschaftet.

„Wir haben in den vergangenen acht Jahren der Hochkonjunkur unsere Hausaufgaben nicht gemacht“, gab Piech zu. Denn für ihn persönlich sind möglichst schlechte Zahlen besonders gut: Die verschleppte Strukturanpassung und der Wachstumswahn werden automatisch dem Vorgänger Carl Hahn angelastet.

Nach Bekanntgabe des Milliarden-Verlusts zu Beginn seiner Amtszeit wird Piech sich in einem Jahr schon für einen schwarzen Null-Gewinn feiern lassen können. So trat er gestern in Wolfsburg als strahlender Sieger vor die geschickt selbst inszenierte „bestbesuchte Pressekonferenz des Unternehmens“. Bereits in den vergangenen Monaten war sensationell Negatives bekannt und vom Vorstand jeweils genüßlich bestätigt worden:

– VW schreibt erst dann Gewinne, wenn die Fließbänder über 90 Prozent ausgelastet sind. Im letzten Jahr hat die Gewinnzone laut Piech noch jenseits der Vollauslastung gelegen. Selbst das einzige Erfolgsmodell, der Golf, kann nur noch mit 500 Mark Verlust pro Stück verkauft werden. Moderne Autos, nämlich kleine und sparsame, kommen heute von dem französischen Staatskonzern Renault, den Piech genauso als „Feind“ bezeichnet wie die erfolgreichen Japaner. Renault steigerte mitten in der Autorezession den Gewinn um satte 84 Prozent auf 5,68 Milliarden Franc (ca. 1,9 Mrd. Mark) bei einem Umsatz von 179,4 Mrd. Franc (plus 8,1 Prozent).

– Die Japaner produzieren, so die Unternehmensberatung McKinsey, um mindestens 30 Prozent billiger als VW. Feind Renault hat nicht gar solange geschlafen und die Produktivität pro Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren sehr viel deutlicher gesteigert als VW: Sie wuchs bei Renault um 4,7 Prozent pro Jahr, bei VW nur um 3,8 Prozent. (Im letzten Quartal 9,5 Prozent.)

Für die Belegschaft bedeutet die Managementschlamperei der vergangenen Boomzeit Kurzarbeit und Entlassungen. Im ersten Quartal dieses Jahres verließen weltweit 783.500 Fahrzeuge die Fließbänder des Konzerns: 10,5 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. In Deutschland lieferte Volkswagen gar 25,9 Prozent weniger fabrikneue Autos aus. 12.500 Beschäftigte sollen im Inland bis Mitte 1994 ihren Arbeitsplatz verlieren, nach 4.100 abgebauten Arbeitsplätzen im vergangenen Jahr. „Die Sozialverträglichkeit werden wir dabei versuchen weiter durchzuhalten“, sagte der als schlechtester Redner der Branche bekannte Piech. Für die dann in Deutschland noch 110.000 VW-Beschäftigten soll dafür alles besser werden: Teamarbeit, Selbstverantwortung, weniger Hierarchie soll jedes „VW-Familienmitglied“ motivieren, seine Stärken voll einzubringen. Sparen will Piech auch in Forschung und Entwicklung, weil schließlich nicht jede der vier Konzernmarken völlig neu erfundene Motoren brauche, meint Piech. „Beim Material, das rund um die Welt schwirrt“, lasse sich einiges verringern. Der frisch von General Motors eingekaufte Baske Ignacio Lopez de Arriortua, der tatsächlich als Zeichen des „Wir-haben- keine-Zeit-zu-Verlieren“ seine Armbanduhr rechts trägt, soll bei den Zulieferern billigere Preise herausschlagen. Eines will Piech auf keinen Fall: die Bilanz über höhere Preise fürs Produkt sanieren. Volkswagen-Autos müßten „für jeden kleinen Mann erschwinglich“ bleiben. Und der Umweltschutz? Über den, so Piech-Stellvertreter und Umweltschutz-Zuständiger Daniel Goeudevert, werde jetzt bei VW nicht mehr geredet. Er werde jetzt in die Autos eingebaut, und das sei vor allem ein technisches Problem.