Gibt es ein Bremer HipHop-Wunder?

■ „Neue Worte zum Groove“ — Musiker und Akademiker konferieren im Schlachthof / Anschließend Jam

No Dissin'! Die heimische Hip- Hop-Szene muß schließlich zusammenhalten. In Hamburg, Heidelberg, Berlin und sogar in Bremerhaven vermelden die einschlägigen Szene-Blätter einen Boom deutscher Rap- Bands samt der zugehörigen Fangemeinde. Aber Hiphop in Bremen: Das ist mal ein Jam im Freizeitheim, ist der Mittwochabend im „Römer“, ist ein versprengtes Häuflein von B-Boys und —Girls, wie sich die Hiphopper nennen. Also: keine dumme Anmache — kein Dissin' — untereinander, wie es die bulligen US-Gangs so lieben, sondern schön im gleichen Takt rappen. Zum Beispiel beim Jam heute abend im Schlachthof, der das neue deutsche Hiphop- Wunder nun auch hier bewirken soll. Vier Bands wollen dort den ganz speziellen Bremer Groove, so es ihn gibt, unter die Leute bringen und der verschlafenen Szene Beine machen.

Beim Stichwort „Fantastische Vier“ verzieht Mike das Gesicht. Auf „Die Da“ und ihren Erfolg kann der Rapper von „Cribb

199“, der Hausband des Findorffer Freizeitheims, irgendwie nicht recht neidisch sein. Den beschworenen Trend zum Rap in neudeutscher Sprache kann er weder in Bremen noch anderswo entdecken. „Wir sind ein Gemisch aus Türken, Arabern und Jugoslawen“, sagt er grinsend über sich und seine Band. „Also warum sollten wir deutsch singen?“

Seinen hausgemachten Rap- Style entwickelten Mike und andere Hiphopper Mitte der 80er Jahre in Horn. Eine richtige kleine Posse aus Azubis und Oberschülern hockte da täglich im „Freizi“ zusammen. „Jeder wollte breakdancen“, oder gar die Kunst des rhythmischen Plapperns üben. Nun wollte und will der Bremer Rapper an sich „kein Abklatsch von den Amis“ sein. Die Musiker mühten sich alsbald um einen eigenen Stil. Eine ganze Reihe von Bands hat sich inzwischen aus diesem Pool entwickelt. Ihre ganz persönliche Message? „Big Fun“.

„Ich kann nicht über ein Getto rappen, in dem ich nicht lebe“,

sagt Mike; „vom Leben in der Bronx habe ich doch keine Ahnung.“ Eine klare politische Attitude, wie sie bei den US-Vorbildern gern herausgekehrt wird, pflegen nur wenige Bands wie die Bremerhavener „No Remorze“. Ansonsten ist man natürlich ganz allgemein gegen Rassismus. Zum letzten Jam in Findorff lud Mike auch Sprayer der versprengten Bremer Szene, die u.a. Sprüche wie „Art against Racism“ an die Wände sprühen durften. Für Mike aber ist Hiphop „eher eine spaßige Sache“: togetherkommen und sich wohlfühlen. Und Freizi-Leiterin Jutta Schöpp freut sich über die Jungs, die da singen und tanzen und ansonsten gute Laune verbreiten. Auf manchem Kulturfest hätten die positiven Grooves der „Cribb“-Rapper gar auch die Herzen der älteren Generation erobert.

Auf die Überzeugungskraft der Bremer Beats wollten sich die Veranstalter heute abend im Schlachthof aber dann doch nicht verlassen. Eine Experten- Runde soll vor dem Jam die Legitimation für den Spaß liefern: Das Bremer „Hiphop-Seminar“, in dem sich der geballte Sachverstand von sechs angehenden Kultur-und SozialwissenschaftlerInnen versammelt, lädt zur Diskussion (Mit echten DJ's) über Hiphop als Kulturphänomen oder Lebensform oder was, und warum es sie in Bremen in nur bescheidenem Maße gibt.

„Römer“-DJ und Mit-Initiator Gerd Wichmann vermeldet zwar eine Zunahme an Kapuzenpullis im Publikum. Aber das kann auch schon zu den Verfalls- Erscheinungen des Trends gehören. Der dicke C&A-Sweater und die umgedrehte Baseball- Kappe machen noch keinen B-Boy.

Der Sozialwissenschaftler und Seminar-Kollege Jan Mangel hofft hingegen auf das Bremer Hiphop-Wunder. Anders als die handelsüblichen Rock- Spektakel besitze Hiphop geradezu „aufklärerischen“, zumindest „demokratischen Charakter“. Mitmachen ist alles, der Text sekundär, solange nur „positive Musik“ verbreitet wird. Der Hiphop-Jam „ist erstmal immer wieder 'ne Party“. Und dafür gehen die B-Boys und —Girls meilenweit — sehr zum Verdruß von Mike Me & Co. Die Bremer Gemeinde reise immer noch lieber nach Braunschweig und Hannover, sagt Mike, als nach den wenigen Parties in den hiesigen Freizeitheimen zu suchen. Und selbst in der Hochburg Findorff hält sich die Begeisterung für Hiphop in Grenzen. Wenn nicht gerade „Cribb“, „Entity“ oder „F.A.B.“ dort live rappen und steppen, läuft in der Freizi- Disco doch wieder der biedere Ami-Mainstream-Schmus. two

“Neue Worte zum Groove“, Diskussion heute um 17 Uhr im Schlachthof- Turm; ab 20 Uhr Jam in der Kesselhalle mit „Cali C.“, „Saprize“, „Entity“ und „Digital Blues“.