■ Das Portrait
: Simone Veil

Simone Veil als ranghöchste Ministerin der französischen Regierung – das ist ein vielversprechender Ehrenerweis. Allerdings muß die Politikerin zunächst einmal die Mankos der neuen Mannschaft verbergen. Zunächst soll ihre herausgehobene Position die Frauen beschwichtigen – das Verhältnis Frau zu Mann ist nämlich 3 zu 30. Aber sie ist nicht irgendeine Frau: den Französinnen bleibt unvergessen, daß sie 1974 unter heftigem Widerstand die Abtreibung liberalisiert hat.

Neben den Frauen soll Simone Veil auch all diejenigen beruhigen, die fürchten, daß die konservative Regierung unter dem Druck ihrer Vierfünftelmehrheit im Parlament einen allzu scharfen rechten Kurs fahren könnte. Wer das hofft, kann sich durch ihren Gegenpol im Innenministerium bestätigt fühlen; der äußerst rechts stehende Charles Pasqua kommt in der Rangliste gleich hinter ihr. Fragt sich nur, wie die beiden kooperieren können, denn im Gegensatz zu Pasqua steht Veil für Liberalität und Toleranz. Sie wünscht, daß „Frankreich vom Zentrum aus“ regiert wird. Als junges Mädchen war sie in Auschwitz, wo ihre Familie ermordet wurde. Aus dieser Erfahrung nährt sich ihre Feindschaft gegen die Front National.

hier Foto Nr. 13

Foto: Reuter

Drittens ist sie das europäische Aushängeschild des Kabinetts: Sie gab das Amt der Gesundheitsministerin 1979 auf, um Abgeordnete im Europaparlament zu werden. Drei Jahre später wurde sie zu dessen erster Präsidentin gewählt.

Ihre vierte Funktion: den Konservativen ein soziales Image geben. Niemand ist dafür besser geeignet als sie, die als Inbild der Mütterlichkeit gilt. Aber damit wird sie viel zu tun haben: Das Arbeitsministerium gab am Tag ihrer Ernennung bekannt, daß die magische Schwelle von drei Millionen Arbeitslosen überschritten wurde. Doch nicht genug: Die marginalisierten Jugendlichen der Banlieues will Simone Veil auch an die Hand nehmen; sie selbst hat verlangt, das Erbe des populistischen Bernard Tapie anzutreten. Die Gesundheit gehört ebenfalls in ihr Mammutressort. Hier gilt es vor allem das Loch der Sozialversicherung zu stopfen – keine kleine Aufgabe. Und falls der Regierungschef mal ausfallen sollte, muß Simone Veil ihn vertreten, weitere Verpflichtungen bringt das Ehrenamt der ranghöchsten Staatsministerin nicht mit sich. Bettina Kaps