■ Dokumentation der neuesten RAF-Erklärung
: „alle müssen raus!“

es hat sich nichts daran geändert, daß wir den einschnitt in unsere geschichte, den wir gemacht haben, brauchen und wollen. denn wir sind auf einen prozeß aus, in dem soziale gegenmacht von unten und daraus eine neue vorstellung für den revolutionären umwälzungsprozeß entwickelt werden kann. das erfordert eine diskussion, in der sich die unterschiedlichsten menschen finden und neue grundlagen und gemeinsame kriterien für diesen prozeß schaffen. es geht um den aufbau einer sozialen gegenmacht, die sich als relevante kraft in einem neuen internationalen kampf für die umwälzung der zerstörerischen kapitalistischen verhältnisse einbringen kann.

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dieser prozeß hat für uns nach wie vor die größte priorität.

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wenn wir auch nach wie vor die verschärfung der lebensbedingungen hier und die um sich greifende perspektivlosigkeit vieler menschen sowie das fehlen der linken als kraft als einen grund für den zulauf bei den faschisten sehen, ist es auf der anderen seite aber auch klar, daß die wurzeln dafür, warum sich hier in der metropole, im neuen großdeutschland, die unzufriedenheit in einem solchen ausmaß gegen fremde entlädt, tiefer liegen. damit müssen sich alle sehr bewußt auseinandersetzen. wie ein mosambikaner sinngemäß gesagt hat: bei uns sind die menschen auch arm und trotzdem schlagen sie deshalb nicht auf die nächsten unter ihnen ein.

die auseinandersetzung über rassismus wird also sicher ein wichtiger teil beim aufbau einer gegenmacht von unten sein – die nicht im ghetto bleiben oder als abgrenzung zu anderen geführt werden kann, sondern als frage ans eigene bewußtsein, wie jede/r sein will und welche gesellschaftliche entwicklung man/frau will.

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es gibt linke, die sich mit diesen fragen nach der gesellschaftlichen entwicklung, wie wir und auch andere sie gestellt haben, nicht auseinandersetzen wollen, weil dies reformistisch sei. solche scheindiskussionen um revolutionär/reformistisch sind ohne jeden gebrauchswert für die neubestimmung revolutionärer politik; und auch im festhalten und beharren auf zeitlos alten klarheiten wird niemand antworten auf die sich heute stellenden fragen finden. die gegenseitigen bestätigungen, daß die revolution international sein muß, sind banal – sie nutzen niemandem, auch nicht den völkern im süden oder osten.

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wir sind oft kritisiert worden, daß wir in der erklärung vom april letzten jahres unsere entscheidung zur zäsur mit der situation der gefangenen bzw. überhaupt mit dem staatlichen vernichtungswillen verknüpft hätten.

wir haben jedoch den einschnitt in unsere geschichte immer mit der notwendigkeit begründet, neue grundlagen zu entwickeln, und gesagt, daß diese notwendigkeit unabhängig vom staatlichen handeln existiert. aber uns war auch von anfang an dabei bewußt, daß unklar ist, wie der staat reagiert, wenn wir den druck von unserer seite aus wegnehmen, und deshalb haben wir uns mit der drohung die möglichkeit offengehalten, da zu intervenieren, wo es notwendig ist, dem staatlichen ausmerz-verhältnis grenzen zu setzen.

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es ist quatsch zu sagen, wir hätten uns damit bzw. die frage der weiterentwicklung revolutionärer politik von der situation der gefangenen abhängig gemacht. aber tatsache ist auch, daß unser schritt z.b. auswirkungen darauf hat, wie der staat mit der frage nach der freiheit der politischen gefangenen umgeht. das ganze ist eine widersprüchliche situation; damit müssen wir umgehen und uns darin bewegen können. wir leben schließlich nicht im luftleeren raum.

nachdem wir den druck von unserer seite aus weggenommen hatten, hat sich der staat in bezug auf die gefangenen ein weiteres mal für die eskalation entschieden – das urteil gegen christian klar und die neue prozeß-welle überhaupt sollen bei vielen das lebenslänglich zementieren; die entscheidung, bernd rössner nicht endgültig freizulassen; mit den letzten ablehnungsbegründungen auf die anträge von gefangenen auf freilassung ist die staatsschutzjustiz da angekommen, sie zur psychiatrischen untersuchung zwingen zu wollen, womit sie eingestehen sollen, ihr kampf, ihr aufbruch sowie ihre gegnerschaft zum system sei irrsinn.

die gefangenen sollen nicht zusammengelegt werden, denn sonst könnten sie in diskussionsprozesse und gesellschaftliche prozesse eingreifen – und noch viel weniger sollen sie draußen sein. sie sollen nach wie vor vernichtet werden und ihre erfahrungen aus kämpfen von anderen ferngehalten werden.

es ist vollkommen klar, daß es eine politische entscheidung des staates erfordert, um vom ausmerzverhältnis gegen die gefangenen zu einem politischen umgang mit der gefangenenfrage zu kommen – die politische ebene hat diese frage aber an die staatsschutzjustiz abgegeben, die natürlich erst recht nicht die entscheidung trifft, zu der die politik nicht willens ist.

sicher liegen nach wie vor tausend fragen auf dem tisch und eine solidarische diskussion, in der aus den gemachten erfahrungen der kämpfe in den letzten 25 jahren gemeinsam gelernt, schlüsse für die zukunft und gemeinsame kriterien für eine neue vorstellung für den umwälzungsprozeß entwickelt werden können, hat noch kaum angefangen. aber es gibt grundsätze und selbstverständlichkeiten, die nicht in frage gestellt werden müssen, von denen wir einfach ausgehen: z.b. das verhältnis zu unseren gefangenen genossInnen und der tatsache, daß der staat seit 22 jahren politische gefangene in isolationshaft foltert – wir kämpfen für die freiheit dieser gefangenen.

wir werden nicht sagen: wir sind jetzt auf der suche nach einer neuen strategie und was mit ihnen derweil passiert, passt jetzt nicht in unser konzept. wir können einen neuen anfang, die entwicklung neuer vorstellungen gar nicht losgelöst von der frage sehen, wie die freiheit unserer genossInnen, die aus diesen 22 jahren kampf gefangengenommen wurden, erkämpft werden kann. sie sind seit 22, 18 ... jahren in isolation/kleingruppenisolation, es ist keine frage: ALLE MÜSSEN JETZT RAUS!

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wir haben mit dem kommando katharina hammerschmidt den knast in weiterstadt gesprengt und damit auf jahre verhindert, daß dort menschen eingesperrt werden. wir wollen mit dieser aktion zu dem politischen druck beitragen, der die harte haltung gegen unsere gefangenen genossInnen aufbrechen und den staat an dieser frage zurückdrängen kann. doch dafür, daß ihre freiheit durchgesetzt werden kann, braucht es die unterschiedlichsten und vielfältigsten initiativen von vielen. im letzten jahr hatten wir versucht, trotz der zäsur politischen druck von unserer seite aus an dieser frage über die drohung zu halten. das, was es dafür an wirkung und grenze hätte sein können, ist leider gerade von genossInnen aus dem linksradikalen spektrum systematisch demontiert worden. mit unserer aktion haben wir diesen druck jetzt neu gesetzt und die drohung aktualisiert. wir denken, daß das genutzt werden kann.

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KOMMANDO KATHARINA HAMMERSCHMIDT

ROTE ARMEE FRAKTION, 30.3.1993

gekürzte Fassung