Chinas alter Mann trat nicht auf

■ Trotz der Abwesenheit Deng Xiaopings bei Chinas Nationalem Volkskongreß verfolgte dieser seine Politik weiter/ Votum für „friedliche Wiedervereinigung“ Chinas/ Verstärkter Druck auf Hongkong

Peking (AP/dpa/taz) – Die Kampagne der chinesischen Regierung gegen die Demokratisierungspläne des Hongkonger Gouverneurs Patten geht weiter: gestern reiste eine Gruppe Peking- treuer Hongkonger Geschäftsleute und Politiker in die chinesische Hauptstadt, um der dortigen Führung als „Berater“ zu dienen. Tags zuvor, vor dem Abschluß der diesjährigen Sitzung des chinesischen Quasi-Parlaments, des Nationalen Volkskongresses, hatte Peking seine Drohung wahrgemacht und die vorzeitige Bildung eines Ausschusses bekanntgegeben, der die Übernahme der britischen Kronkolonie 1997 vorbereiten soll. Ursprünglich sollte ein sogenannter Übergangsausschuß erst 1996 gebildet werden. Mit dem Ausschuß hofft China den Druck auf Gouverneur Chris Patten dahingehend zu verstärken, daß dieser seinen Plan fallenläßt, die Hongkonger Bevölkerung durch eine Ausweitung des direkten Wahlsystems stärker an der Regierung des Territoriums zu beteiligen.

Zu seinem Abschluß am Mittwoch votierte der Nationale Volkskongreß noch für die „friedliche Wiedervereinigung des Mutterlandes“ mit Hongkong, Macao und Taiwan. Nach dem während der Schlußsitzung verabschiedeten Grundgesetz soll die portugiesische Kolonie Macao nach ihrer Rückkehr unter chinesische Oberhoheit 1999 wie Hongkong sein kapitalistisches System beibehalten. Das aus einer Halbinsel und zwei Inseln bestehende Territorium an der chinesischen Südküste wird seit dem 16. Jahrhundert von Portugal regiert.

Die siebzehn Tage des Volkskongresses wurden in der internationalen Presse mit Vorliebe durch Fotos gähnender und schlummernder Delegierter begleitet. Er ernannte neue Staats-, Regierungs- und militärische Führungsspitzen und schrieb auch marktwirtschaftliche Ziele in der Verfassung fest. Ministerpräsident Li Peng sagte dem Kongreß, 1993 solle ein Wirtschaftswachstum von acht bis neun Prozent angesteuert werden.

Der neuernannte Staatschef und KP-Chef Jiang Zemin – der zugleich den Oberbefehl über das Militär innehat und damit formal eine Machtfülle auf sich vereinigt wie zuvor nur Mao Zedong – warnte Taiwan vor Versuchen, sich formell vom übrigen China zu trennen. Peking sei strikt gegen jegliche Form „zweierlei Chinas“, erklärte Jiang. Ministerpräsident Li Peng sagte auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung, China sei zum Dialog mit der regierenden Nationalpartei in Taiwan und allen anderen Parteien bereit.

Li bekräftigte nochmals, daß es keinen Rückfall in die Planwirtschaft geben werde. Ziel der neuen Regierung sei eine möglichst schnelle wirtschaftliche Entwicklung. Er sehe aber die Gefahr, daß das Wachstum durch Ineffizienz der Betriebe und Inflation gebremst werden könne.

Zuständig für die Wirtschaft ist vor allem der Reformer und bisherige Vizepremier Zhu Rongji, der am Montag vom NVK zum zweiten Mann in der Regierung befördert wurde, als erster Stellvertreter Li Pengs. Mit seiner Beförderung hat der 64jährige Zhu seine steile Karriere des letzten Jahres innerhalb der chinesischen Führung fortgesetzt. Der Anhänger des mächtigsten Politikers, Deng Xiaoping, war früher Bürgermeister der Wirtschaftsmetropole Schanghai und erst im Juni vergangenen Jahres zum Leiter des Superministeriums für Wirtschaft und Handel ernannt worden, um die Ineffizienz der staatlichen Betriebe zu bekämpfen. Im Oktober stieg Zhu dann in den sieben Mitglieder umfassenden Ständigen Ausschuß des Politbüros auf, das höchste Parteigremium. Er galt sogar als möglicher Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten. Allerdings erhielt dann Li Peng aus Gründen der politischen Stabilität den Vorzug.

Der 88jährige Deng Xiaoping selbst, der sich formal aus der Politik zurückgezogen hat, trat in diesem Jahr auf dem Volkskongreß nicht auf. li