Kröten im Liebesrausch

■ Amphibien wandern / Autofahrer und Naturschützer streiten

/ Autofahrer und Naturschützer streiten

Jetzt wandern und blubbern sie wieder — die Amphibien. Salamander, Molche, Lurche, Kröten und Frösche treibt der Fortpflanzungstrieb in diesen Wochen zu Liebe und Laichgewässern. Die Seen, Tümpel und Teiche, in denen die Tiere ihre Eier ablegen, sind oft mehrere Kilometer vom Winterruheplatz entfernt. Ein gefährlicher Marsch für die muskulösen Vierbeiner, der häufig über mehrere Straßen führt. Die tierische Wanderung gibt alljährlich Anlaß zu Konflikten zwischen „gedankenlosen motorisierten Zweibeinern und ihren naturschutzengagierten Artgenossen“, berichtet Umweltbehördensprecher Kai Fabig.

Frösche, Kröten und Molche stehen unter Naturschutz und sind zum Teil vom Aussterben bedroht. Durch den zunehmenden Autoverkehr geraten immer mehr der seltenen Tiere unter die Räder. Auch auf dem langen Marsch ins Bergedorfer Naturschutzgebiet „Die Reit“ fielen massenhaft Amphibien den Autos zum Opfer. Dabei ist die Reit mit seinen offenen Wasserflächen, Moor und Röhricht ein bei ihnen überaus beliebter Lebens- und Liebesraum. Hier tummeln sich zoologische Raritäten wie Kamm- und Teichmolch, Erdkröte, Gras-, Moor-, See-, Wasser- und Springfrosch. Im Frühjahr 1990 wurden in der Reit nur noch rund 1500 Tiere gezählt, darunter kaum fortpflanzungsfähige. Daraufhin machten Naturschützer mit behördlicher Rückendeckung für die Zeit vom 1. Februar bis zum 14. November (bis dahin wandern die Jungtiere vom Geburtswasser zum Winterquartier zurück) den Reitdeich auf beiden Seiten mit Schranken dicht. Aber nicht alle waren bereit, den Tieren zuliebe auf die Deichfahrt zu verzichten. „So kam es nicht selten vor, daß am Straßenrand fortpflanzungswillige Amphibien und an den Straßensperren fortbewegungswütige Fahrer lauerten. Letztere schmissen dann schon mal das naturschützerische Schrankenwerk den Deich runter“, berichtet Fabig, erbost über soviel rabiate Rücksichtslosigkeit. Aber die Vollsperrungen der vergangenen zwei Jahre zeigen Wirkung. Der Bestand der Frösche und Kröten in der Reit beginnt sich zu erholen. Zählungen in diesem März kamen schon auf etwa 6000 Tiere.

Auf dem gesperrten Reitdeich können Naturfreunde der hüpfenden Wanderung zugucken. Am besten ist der frühe Abend nach einem feucht-warmen Tag — nach Regenschauern. Seit Ende März bietet die Reit auch tagsüber Schau- und Hörspiel. Der Moorfrosch „blubbert“. Die männlichen Moorfrösche, zur Paarungszeit blau gefärbt, lassen ihren Balzgesang ertönen.

Gestern nun wurden im benachbarten Altengamme die ersten Störche gesichtet. Doch für die liebestollen Amphibien besteht wenig Gefahr. Entgegen der landläufigen Meinung steht Adebar nicht besonders auf Frösche. Er bevorzugt geflügelte Mahlzeiten, also Mücken, Fliegen und ähnliches. Vera Stadie