Bremer Wirtschaft: Schwindelblüte ist am Ende

■ Jahresbericht des Wirtschaftsressorts mit pessimistischen Ergebnissen / Bremen deutlich hinter Bundestrend

Bremen holt auf, Bremens Wirtschaftskraft wächst über dem Bundesdurchschnitt — mit solchen Meldungen versuchte das Wirtschaftsressort im letzten Jahr, positive Schlagzeilen zu produzieren. Damit ist nun Schluß: Die Bilanz des Senats-eigenen Forschungsinstituts, des „Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung“ (BAW) für 1992 sieht so düster aus wie die Prognose für 1993.

Denn Bremen hatte in 1992 ein „Minuswachstum“ von 0,6 Prozent, während die westdeutsche Ökonomie noch um 1,5 Prozent (Bruttoinlandsprodukt) wuchs. BAW-Ökonom Walter Heinemann möchte es dennoch als „verfrüht“ bezeichnen, jetzt schon wieder von einer Abkoppelung der bremischen Wirtschaft vom Bundestrend zu reden: Er rechnet das schlechte Jahr 1992 mit den guten Jahren 1990 und 1991 zusammen und siehe da, es bleibt ein kleines Plus für Bremen übrig. Außerdem, so Heinemann, sei die Zunahme der Arbeitslosigkeit in Bremen nicht so dramatisch wie die schlechten Wachstumszahlen das eigentlich nahelegen würden — im westdeutschen Vergleich.

Wenn man aber nur ein wenig differenzierter die Zahlen analysiert, schwindet der verzweifelte Optimismus: Bremens Aufhol- Jahre seit 1988 haben viel zu tun mit der besonderen Stahlkonjunktur. Und Bremen verdankt die überdurchschnittlichen Wachstumsraten 1990/1991 der Tatsache, daß die an der Weser stark vertretene Nahrungs- und Genußmittel-Branche die ehemalige DDR versorgen konnte. Beides waren vorübergehende Geschäfte, keine dauerhaften strukturellen Verbesserungen für Bremen. Der massive Konjunktureinbruch des vergangenen Jahres mußte deshalb besonders einschlagen.

Hinzu kommt, daß Bremen in den 80er Jahren noch einmal auf das Automobil gesetzt hat — und sich damit eine neue Krisenbranche für die 90er Jahre anlachte. In einer „Gefährdungs“-Analyse hat der BAW- Mann neben den gefährdeten Klöckner-Arbeitsplätzen 3.000 Rüstungs-Arbeitsplätze, 1.000 bei Daimler und ca. 400 in der Luft- und Raumfahrt-Industrie aufgelistet — ein „spürbarer Beschäftigungsabbau“ für 1993 scheint unvermeidbar. Daß 1992 bundesweit die Arbeitslosigkeit stärker anstieg als in Bremen, hat Ursachen, die nur Kirchturmpolitiker freuen kann: Bremen liegt weiter von der ehemaligen DDR-Grenze entfernt, hat damit weniger „Wanderarbeiter“ zu verzeichnen als Hannover oder Hamburg.

Krisenfrei hebt derzeit die Werftindustrie ab — da hat Bremen offenbar mit der Förderung des Werftenverbundes eine strategisch richtige Weiche gestellt. Mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten schlägt sich vor allem der Bereich nieder, der in der Statistik als „sonstige private Dienstleistungen“ bezeichnet wird. Immerhin sind in diesem Bereich 74.000 BremerInnen beschäftigt.Stolz ist BAW-Chef Wolfram Elsner darauf, daß Bremen in der wissenschaftlichen Begleitforschung bundesweit Spitze ist. Nirgends sonst, das werde auch von der EG anerkannt, weiß man so viel über die Kosten-Nutzen-Analyse der Wirtschaftsförderung zu sagen. In den beiden WAP-Programmen 1984-1991 sind, das hat das BAW kompliziert errechnet, sind ca. 11.000 Dauerarbeitsplätze unmittelbar auf die Wirtschaftsförderung zurückzuführen — die komplizierter zu bewertenden Sekundäreffekte nicht gerechnet. Ausgegeben wurden dafür insgesamt 1,36 Milliarden Mark. Macht 120.000 Mark Subvention pro neu geschaffenem Arbeitsplatz.

Angesichts der heute möglichen Prognose, so BAW-BAW- Ökonom Heinemann, dürfte es in naher Zukunft „äußerst schwierig“ für Bremen sein, den Rückstand gegenüber dem Bund aufzuholen. Im Gegenteil: Die Gefahr sei „nicht unerheblich“, daß der Abstand zum Bundestrend wieder zunimmt. K.W.