Pieta wird rechtzeitig fertig

■ Der Bildhauer Harald Haacke will bis August die Käthe-Kollwitz-Skulptur für die Neue Wache kopieren / Kollegen-Vorwurf einer "Vergröberung" ficht ihn nicht an

Berlin. Der Bildhauer Harald Haacke arbeitet seit Anfang März an einem ungewöhnlichen Auftrag: Der Berliner Künstler kopiert ein Werk einer sehr berühmten Kollegin, die „Pieta“ von Käthe Kollwitz, in viermal größerem Maßstab. Die knapp lebensgroß gestaltete Nachbildung soll am Volkstrauertag im November in der von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Neuen Wache an der alten Prachtstraße „Unter den Linden“ aufgestellt werden.

Auf Betreiben von Kanzler Kohl hatte die Bundesregierung Anfang des Jahres beschlossen, die Neue Wache zur zentralen deutschen Gedenkstätte für die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ umzuwidmen. Die geplante Umgestaltung soll den Innenraum der Neuen Wache fast in der Form wiederherstellen, wie ihn Heinrich Tessenow nach einem Wettbewerb im Jahr 1931 geschaffen hatte. Allerdings soll Tessenwos schwarzer Granitblock nach dem Beschluß des Bundeskabinetts ersetzt werden durch eine Kopie der „Pieta“ von Käthe Kollwitz.

Die von Käthe Kollwitz Ende 1937 geschaffene Bronze-Skulptur „trauernde Mutter mit totem Sohn“ ist im Orginal nur 38 mal 38 mal 26 Zentimeter groß. Wie berichtet, ist nicht nur die von Bundeskanzler Kohl persönlich getroffene Entscheidung für eine Universalgedenkstätte auf Kritik gestoßen, sondern auch die Vorstellung, daß die bescheidene Skulptur überhaupt vergrößert werden kann und darf. Der Bildhauer Rolf Symanski bedauerte auf einer öffentlichen Veranstaltung, daß sein Kollege Harald Haacke diesen Auftrag übernommen hat. „Haacke wird jetzt als Vergrößerungskünstler in die Kunstgeschichte eingehen“, piekste er, sein Kollege habe einen „guten Ruf zu verlieren“.

Den derart angegriffenen Bildhauer fechten indes die Vorwürfe nicht an. Das sei Symanskis Problem, sagte er in einem Gespräch mit der taz: „Ich habe im Gegensatz zu ihm nicht den Ehrgeiz, in die Kunstgeschichte einzugehen.“ Derzeit formt Harald Haake die Tonform für den vergrößerten Bronze-Guß. Anfang August soll die Skulptur dann in der traditionsreichen Berliner Gießerei Hermann Noack in Auftrag gehen. Die Gießerei hatte vor zwei Jahren die Pferde auf dem Brandenburger Tor nachgegossen und zum Teil rekonstruiert. Zu Lebzeiten von Käthe Kollwitz (sie wurde 1867 geboren und starb 1945) fertigte sie alle 15 Bronzen der Künstlerin.

Ist eine Vergrößerung auch eine Vergröberung?

Auch die von vielen Künstlern und Kunstkritikern formulierte Befürchtung, daß eine Vergrößerung der Pieta eine „Vergröberung“ sei, teilt Harald Haacke nicht. Die Kritiker des Kohl-Beschlusses haben öffentlich immer wieder darauf hingewiesen, daß auf dem Original sogar Fingerabdrücke der Künstlerin zu sehen sind. Sollen etwa, so fragen sie, diese Spuren der Entstehung auch vierfach vergrößert werden, so daß an der Skulptur in der Neuen Wache dann riesige Fingerabdrücke zu sehen sind? Kopist Haacke aber verweist darauf, daß er mit Nachbildungen von Käthe-Kollwitz-Arbeiten Erfahrung hat. Vor zwei Jahren wurde in Königsberg das Potraitrelief ihres Großvaters aufgestellt. Als Vorbild habe er bloß eine kleine Fotografie gehabt. Und das, so meint der Bildhauer, „war viel schwieriger“. Ebenfalls nach Fotografien schuf Harald Haake den von den Nationalsozialisten zerstörten Rathenau-Brunnen in Berlin. Eine seiner letzten Arbeiten war die Nachbildung des im Krieg verloren gegangenen Imanuel-Kant-Denkmals in Königsberg. „Bei Harald Haacke ist die Pieta in guten Händen“, meinte auch Martin Fritsch, stellvertretender Direktor des Käthe-Kollwitz-Museums. Die Familie der Künstlerin habe in Haackes Kunst das größte Vertrauen. aku/taz