Ein Video klärt über das Asylrecht auf

■ Die Zentrale Aufnahmestelle in der Streitstraße verteilt Asylbewerber auf die Bundesländer / Obwohl der Umzug aus Hohenschönhausen erst wenige Tage zurückliegt, macht die neue Adresse kaum Probleme

Spandau. Eigentlich dachte er, das Flugzeug, in das ihn ein mit seinem Vater befreundeter Geschäftsmann setzte, fliege nach Amerika. Er war aus Liberia geflohen, nachdem seine Eltern und seine Schwester im Bürgerkrieg umgekommen waren. „Ich wollte nicht weiter in der Armee auf Menschen schießen müssen“, sagt er. Doch als er aussteigen mußte, fand er sich in Warschau wieder. Zwei Schwarze lasen ihn auf und schmuggelten ihn nach Berlin. Seinen Paß behielten sie als Entgelt. Nur seine Geburtsurkunde beweist, daß er Teryl Taubman ist, geboren in Monrovia, 17 Jahre alt. Ein Jamaicaner fuhr ihn vorgestern abend von Bahnhof Zoo in die Spandauer Streitstraße.

Dort befindet sich seit dem ersten April die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA), die vorher in Hohenschönhausen untergebracht war. Das ehemalige Krankenhaus, unter alten Bäumen zwischen einer Schule und einem Gewerbegrundstück gelegen, diente bisher als Erstaufnahmeheim für Asylbewerber. Dessen Kapazität wurde auf 500 Plätze reduziert, so daß zusätzlich die ZAA sowie die Außenstelle des Bundesamtes für Anerkennung ausländischen Flüchtlinge in Zirndorf in dem Gebäude Platz fanden. – Vorgestern haben knapp 80 Menschen den Weg hierher gefunden, was dem Tagesdurchschnitt im März entspricht. Walter Mölleck, stellvertretender Leiter der ZAA, ist selbst erstaunt, daß offenbar niemand Schwierigkeiten mit der neuen Adresse hat: „Das spricht sich ganz schnell rum.“

Im Erdgeschoß befindet sich der Aufnahmebereich der ZAA. Vier Wartezimmer bieten 120 Personen Platz. Die Toiletten sind frisch renoviert, und es gibt sogar einen Wickelraum. Von acht bis fünfzehn Uhr öffnen die 15 Sachbearbeiter ihre Büros, bei Bedarf auch von sieben bis achtzehn Uhr.

Seit am Mittwoch das neue Asylverfahrensgesetz in Kraft trat, wird in der ZAA lediglich geprüft, in welchem Bundesland der Ankommende seinen Antrag stellen kann. Per Computer werden die Daten nach Zirndorf übermittelt. Von dort erfolgt die Zuweisung einer Quotenregelung entsprechend, die für Berlin die Aufnahme von 2,2 Prozent aller in der Bundesrepublik um Asyl Suchenden vorschreibt. Die ZAA vermittelt den Asylsuchenden an eine Außenstelle des Bundesamtes und schickt seine Unterlagen dorthin.

Im ersten Stock befinden sich noch zwei Warteräume für die Beratungs- und die Leistungsstelle. Hier können sich die Asylbegehrenden durch ein mehrsprachiges Video über ihre Rechte und Pflichten aufklären lassen und weitere Schritte besprechen. Außerhalb der Öffnungszeiten ist immer jemand anwesend, damit zumindest die Unterbringung bis zum nächsten Morgen geregelt wird.

Da Taubman abends ankam, hat er die Nacht in der Notübernachtungsunterkunft verbracht. Morgens um acht kann kann er sich seinen Platz im Wartezimmer noch aussuchen, etwa 20 Personen warten schon. Der 14jährige Mustafa neben ihm ist Kurde aus dem dem Osten der Türkei. Er wurde von seinem Vater in ein sicheres Land geschickt. Elena ist aus der Ukraine geflohen, weil sie als Russin nationalistische Übergriffe fürchtet. Am Anmeldeschalter haben sie Nummern erhalten, die per Leuchtanzeige über der Eingangstür aufgerufen werden. Dahinter stehen die Nummern der Büros, in denen sie erwartet werden. – Nach einer knappen Stunde ist Taubman an der Reihe. Die Sachbearbeiterin gibt seine Daten in den Computer ein. Erst tippt sie auch den falschen Namen ein, da in den liberianischen Urkunden als erstes der Schriftführer auftaucht. Ungläubig blickt sie auf, als sie weiterliest. „Sie sind erst siebzehn?“ fragt sie und mustert seine kräftige Statur und sein erwachsenes Gesicht. Er nickt. In Liberia müssen schon 15jährige zum Militär. Nach kurzer Zeit kommt die Anweisung aus Zirndorf: Taubman muß nach Sachsen-Anhalt, genauer nach Halberstadt. Seine Geburtsurkunde verschwindet in einem Briefumschlag, er erhält eine vorläufige Aufenthaltsgestattung und einen Gutschein für die Bahn. Eine halbe Stunde später macht er sich mit einer englischen Wegbeschreibung auf dem Weg zum Bahnhof.

Wäre er Berlin zugewiesen worden, hätte er innerhalb der nächsten Woche einen Termin bei der benachbarten Außenstelle der Bundesanstalt erhalten, um seinen Asylantrag zu stellen. Auch sie ist eben erst vom Rosenthaler Platz umgezogen. In der Außenstelle werden noch die Teppichböden in den Fluren verlegt und die Schlösser eingebaut. In den Büros stapeln sich die Kartons. Hier werden 28 Einzelbescheider die Anhörungen durchführen und über die Anträge entscheiden. „Jede Außenstelle ist dabei für bestimmte Herkunftsländer zuständig“, sagt Regierungsdirektorin Ingeborg Mommsen. Auch das entscheidet über die Zuweisung. Berlin betreut beispielsweise China, Bangladesh, Syrien und die Türkei, aber auch Exoten wie Malaysia. Corinna Raupach