Zynismus hilft da nicht viel weiter-betr.: "Mit Vollgas in die Sackgasse", "Der Turbo stottert - Applaus", (Kriener-Kommentar), taz zvom 17.3.93

betr.: „Mit Vollgas in die Sackgasse“, „Der Turbo stottert – Applaus“, (Kriener Kommentar),

taz vom 17.3.93

[...] Natürlich, das Auto ist ein Umweltschädling ersten Ranges, und man kann mit einer gewissen Berechtigung sagen, daß jedes nichtgebaute Auto insofern ein Gewinn ist. Hört man aber an diesem Punkt mit der Argumentation auf, dann ist sie zumindest unvollständig.

Erstens werden nicht deswegen weniger Autos gekauft, weil viele Menschen eingesehen hätten, daß das Autofahren schädlich ist, sondern weil durch die Wirtschaftskrise, durch Arbeitslosigkeit und sinkende Einkommen, die Menschen nicht das Geld für den Neukauf eines Autos haben. Geht die Konjunktur wieder nach oben, werden diese Anschaffungen dann nachgeholt. [...] Sofern also keine bewußte gesellschaftliche Entscheidung gegen das Auto getroffen wird, ist die Reduzierung des Autoabsatzes per Wirtschaftskrise immer nur eine vorübergehende.

Zweitens kann diese bewußte gesellschaftliche Entscheidung, die ich für sinnvoll halte, nicht gegen die Beschäftigten in der Automobilindustrie getroffen werden. Sie kann nur auf demokratischem Wege herbeigeführt werden (oder sie wird nicht herbeigeführt), das heißt, es müssen sehr viele Menschen davon überzeugt werden, etwas an ihrem persönlichen Leben zu ändern. Das ist nicht einfach. Bei den vielen hunderttausend Beschäftigten in der Autoindustrie kommt hinzu, daß ihre ganze soziale Existenz am Auto hängt. Geht man da mit der Haltung ran: „Recht geschieht ihnen!“ und verurteilt sie damit zur Arbeitslosigkeit, wird man sich diese Menschen zu Gegnern machen. [...] Will man diese Menschen nicht in eine reaktionäre Ecke abwandern lassen, aus der heraus sie jede Benzinsteuererhöhung, jede Geschwindigkeitsbeschränkung und den Abbau jedes Parkplatzes als Bedrohung ihrer eigenen Existenz bedingungslos bekämpfen, müssen wir uns etwas einfallen lassen.

Das innovative Potential der Automanager, selbst Alternativen zu entwickeln, was in dieser Industrie anderes gebaut werden kann, scheint mir ziemlich gering entwickelt zu sein. Da werden jetzt die Kostenschlachten gegen die Konkurrenz geführt, das Personal abgebaut und ansonsten auf bessere Tage gewartet. Von gewerkschaftlicher Seite ist das Problem zumindest erkannt worden, Ziele sind formuliert, aber leider kaum Schritte auf diese Ziele zu unternommen worden. Konversionsarbeitskreise für die Autoindustrie sind zwar beschlossen worden, aber wo arbeiten sie und wo gibt es zumindest ansatzweise Ergebnisse? Immerhin stimmt die Richtung. [...] Andreas Huhn, Kassel