■ Ökolumne
: Grüne Smarties Von Thomas Worm

Wenn sich das Ozonloch nun auch in unseren Breiten öffnet, so schließt sich doch wenigstens eine Gerechtigkeitslücke. Die krebsauslösende UV-B-Strahlung trifft nicht mehr allein irgendwen weit, weit unten in Süd-Patagonien. Nein, sie versengt jetzt auch die Weißen der nördlichen Hemisphäre. Ginge es nach dem Verursacherprinzip, hätte der Ozonschild zuerst über den Industrienationen des Nordens aufbrechen müssen. Aber gut, daß die Welt sich dreht. So rutschen auch wir zur Abwechslung mal unters Ozonloch. Macht alles überhaupt nichts, denn für die Menscheit ist gesorgt: die Dunkelhäutigen haben ihr Melanin, die Hellhäutigen ihren Sunblocker.

Nur fürs Phytoplankton gibt's noch keine Sonnencreme. Damit nun die ozeanische Nahrungskette nicht zerreißt, haben echte Schlaumeier den FCKW-Ersatzstoff R134a ersonnen. Er soll für die Ozonkiller einspringen, die zu solch einer schäbigen Apokalypse fähig sind: Abeerrr: R134a heizt das Treibhaus Erde 3.200mal stärker auf als Kohlendioxid, obwohl dieser Ersatzstoff ja nachsichtig mit dem Ozon umgeht – sein Zerstörungspotential wird mit Null angegeben. Ja, wir haben aufgepaßt, Greenpeace, stimmt's? Weil jedoch auch wir Schlauberger sind, verraten wir euch Regenbogenleuten etwas, worauf ihr noch gar nicht gekommen seid: Auch R134a ist wahrscheinlich ein Ozonkiller. Undercover allerdings. Der Heidelberger Umweltphysiker Professor Platt hat uns bestätigt, was in der Spiegel-Ausgabe 11/93 zu lesen stand. Daß nämlich der Treibhauseffekt auch die Zersetzung der Ozonschicht beschleunigt, indem die aufgeheizten Luftschichten der Stratosphäre Wärme entziehen und dort zu vermehrter Wolkenbildung führen. Das wiederum befördert die „Auflösungschemie“ beim Ozon. Wenn das so ist, sind sämtliche Treibhausgase zugleich Ozonkiller. Über die genaue zahlenmäßige Größe des Effekts recherchieren die Forscher noch.

Soweit also der Klima-Kampagnen-Tip für Greenpeace. Alle reden vom Wetter – wir nicht. Wir überlegen weiter. Treibhaus-Effekt und Ozonloch sind also miteinander vernetzt, wie es so schön heißt. Oder ins Salomonische gewendet: in der Umwelt hängt alles mit allem zusammen. Das sind schlechte Nachrichten für besessene Ersatzstoff-Philosophen. Warum? Jedwede Anstrengung, langfristig das jetzige, auf Expansion gerichtete Industrieniveau zu halten, indem man es grünlich gestaltet, wird sich mehr und mehr mit bitterbösen Verschiebungseffekten konfrontiert sehen. Wo hier die eine ökologische Komplikation beseitigt wird, entsteht dort eine andere.

Beispiel „Zukunftstechnologie“. In der alten DDR hatten ein paar Pfiffikusse einen Traum. Sie wollten einen schadstoffresistenten Waldbestand züchten, mit Hilfe der Gentechnik. Statt den sauren Regen abzustellen, sollten nur noch solche Bäume wachsen, die gegen Schwefelsäure und Stickoxyde gefeit waren. Der Gen-Pool von Milliarden bis dahin unterschiedlicher Einzelbäume wäre durch die normierten Fichten, Eichen und Buchen ungeheuer verarmt. Und damit das Erbpotential für etwaige Anpassungsleistungen. Eine munter mutierte Generation von Schädlingen hätte den Kunst-Wald womöglich sofort umgelegt.

Beispiel „Nachwachsender Rohstoff“. Cleverles lieben Rapsöl: unbegrenzt Brennstoff vom Acker. Nur übersehen sie dabei gerne den riesigen Flächenverbrauch von Motoren-Raps, überdüngte Monokulturen, die durch Unmengen von Pestiziden und Herbiziden auf Hoechst-Erträge getrimmt werden.

Beispiel „Alternativprodukt“. Smarties lernen von Kalifornien. Dort sollen in Zukunft nur noch Batterieautos über die Highways rollen. Deshalb abgasfreie Elektroautos auch bei uns, als Zweit-, als Dritt-, als Viertwagen. Und „abgasfrei“ meinen die Smarties ernst: Denn wozu gibt es schließlich Atomstrom?

Natürlich möchten wir nicht alle „Ersatz“-Ansätze verteufeln, sonst wäre die Lage ja aussichtslos. Trotzdem, ökologische Konversion der Industrieländer, die ihren Namen verdient, führt letztlich vom Umrüsten zum Abrüsten, vom Umgewöhnen zum Abgewöhnen. Reden wir in Zukunft nur noch von Transitkonsum. Am besten, wir beginnen mit unserer holzfressenden Leselust. Von der gekauften Zeitung zur geliehenen Zeitung, von der geliehenen Zeitung zum „Haste- schon-gehört“. Grips pur, nicht wahr?

Der Autor ist freier Journalist in Berlin