"Jetzt kommt der Top Spin, jahu, hoho"

■ Horst Ludewigt, der Mann am Überschlags-Knopf / "Bei uns wird einem selten übel"

„Jetzt kommt der Top Spin, jahu, hoho“

Horst Ludewigt, der Mann am Überschlags-Knopf / „Bei uns wird einem selten übel“

Horst Ludewigt (35) raucht viel, das gibt seiner Stimme bei Bedarf ein fieses Timbre. Wie ein Riese lacht er, wenn er auf den Knopf drückt, woraufhin sich die Gondel unter lautem Gejohle überschlägt.

Ludewigt ist Inhaber des Fahrgeschäftes „Top Spin“, der zur Zeit die Osterwiese unsicher macht. Tag für Tag sitzt er zusammen mit Ehefrau Ingrid auf deutschen und luxemburgischen Jahrmärkten in der Bedienungs- und Kassenkanzel.

Sie, hochschwanger mit dem dritten Kind, verkauft Eintrittskarten. Eigentlich stammt Ingrid Ludewigt aus der Süßwaren- und Losebranche, während Horst Ludewigts Familie seit Generationen Fahrgeschäfte betreibt.

Wie lange, glauben Sie, lassen sich die Leute noch mit Begeisterung vom „Top Spin“ durch die Luft wirbeln?

Wir haben viel Stammpublikum, weil einem bei uns selten übel wird — das passiert auf 'nem 16-Tage- Platz vielleicht einmal, Aber dann

hier den Mann

am Schaltpult

hat er halt zu viel getrunken. — Auf geht's Freunde, ja-ha- haa.—

Sie reden richtig mit den Passagieren ...

Aber das ist vor allem für die Leute draußen, die amüsieren sich eigentlich ebensogut, wie die Leute, die mitfahren. — Dann mal los, die Handtaschen schön festhalten —

Sagen Sie immer dasselbe?

Man blabbelt schon sein Repertoire ab. Manchmal sieht man halt eine Person, die man ein bißchen aufziehen kann. Vorhin hat einer seinen Schuh verloren, „jetzt wirft der gleich auch seine Hose weg“, hab ich dann gesagt. — Jetzt kommt er, der top spin, jajajajaja yeah — Es ist aber auch schon mal einem das Gebiß rausgeflogen. Aber eigentlich ist die Fahrt viel harmloser, als sie aussieht.

Die Blonde da in der Mitte schaut aber nicht sehr locker.

Da haben Sie recht, die ist nicht ganz glücklich. — Was ist los, Blondie, ist dir übel? Was haben wir denn gerade gegessen, ah, das sehen wir uns gleich mal man. Freunde, es geht über Kopf, jaah, ooooooh (mit Halleffekt). Was kostet denn so eine Anlage?

Der Top Spin hat drei Millionen gekostet — (ins Mikrophon: Könnt ihr noch 'ne Runde, ab dafür, scheißegal, ich sitz ja nicht drin) — aber man verkauft das Geschäft weiter, dann ist der Sprung zur nächsten neuen Anlage nicht mehr so weit. Wir haben bald alle zwei Jahre eine neue.

Hängt Ihnen der Job nicht manchmal zum Hals raus?

Ach, es passiert eigentlich jeden Tag mal was, wo wir uns beide hier schief lachen. Da kommen die Bügel runter, da gehört der Kopf natürlich in die Mitte rein, und dann meint einer, er muß den Kopf zur Seite raus haben. Dann sag ich, Kopf mehr nach rechts, dann hängt er den Kopf zur andern Seite raus.

Wollen Sie den Job auch noch mit 60 machen?

So zwischen 20 und 30 ist man schon am besten, aber es ist dann eben schwer, den richtigen Mann zu finden. Und für die Kinder ist es auch sinnvoller, erstmal einen Beruf zu lernen, zum Beispiel Kaufmann oder Elektronik, das kann man hier gut brauchen. Gestern hat mein Sohn schon mal 'ne Stunde hier gesessen und verkauft, der ist zehn.

hier das Wirbelgerät

Das Gebiß fliegt schon mal raus...Foto: Christop Holzapfel

Aber das sagen die meisten Schausteller, daß sie früher aufhören wollen, und dann bleiben sie doch bis 80. Wie meine Großmutter, oder wie meine Mutter, die jetzt 68 ist. Vielleicht braucht man den Streß einfach, wenn man den von klein auf kennt.

Immer in dem Rummel, und dann auf einmal nur zu Hause, das ist sicher 'ne Umstellung ...

Eben, außerdem sind unsere Bekannten alle auch auf den Plätzen. Wir sind bloß zwei, drei Monate im Winter zu Hause in Oldenburg.

Wie haben Sie denn Ihre Frau kennengelernt?

Auf dem Schaustellerball, da bringen die Eltern ihre Söhne und Kinder mit. — Was ist denn mit deinem Kumpel los, der ist ja jetzt schon ganz gelb im Gesicht, na, noch bißchen mehr schaukeln? (Kreischen draußen)

Und abends, fallen Sie da todmüde ins Bett, oder hocken Sie im Wohnwagen vor der Glotze?

Nö, entweder wir gehen noch essen oder in die Diskothek oder bei Kollegen im Zelt Bierchen trinken. Da läßt einer seinen Ausschank länger auf, da treffen sich dann alle. Sonst verblödet man ja.

Und die Kinder, wo sind die denn jetzt?

In der Schulzeit bleiben die in Oldenburg, da haben wir so Pflege

stellen für. Aber am Wochenende sind sie immer bei uns, egal auf welchem Platz wir sind. Die Kinder haben hier ja auch ihren Freundeskreis. So haben wir ein ganz gutes Familienleben.

Für die Männer, die ohne Familie mitreisen, ist das doch ein hartes Leben?

Anderes Städtchen, anderes Mädchen. Personal ist ein großes Problem. Nur der junge Mann da fährt schon seit acht Jahren mit. Die, die vom Arbeitsamt geschickt werden, die sagen, was soll ich hier, vom Arbeitsamt krieg ich mein Geld, ohne so malochen zu müssen. Und die Polen, die sich anbieten, dürfen wir nicht nehmen. Nur für drei Monate immer, dann hab' ich sie grade eingelernt.

Was zahlen Sie denn?

Ich hab' Leute, denen zahle ich 500 Mark auf die Hand pro Woche, und dem neuen Personal zahle ich 250 für die Woche. Alles andere bezahlen wir, Kost und Logis ist frei, meine Frau kocht mittags. Aber das Wohnen ist halt beengt.

Es ist ja wohl auch eine ziemlich harte Arbeit?

Hier von 11 bis 23 Uhr, das ist ein Witz, aber in Vechta, auf dem Stoppelmarkt, da geht das fünf Tage lang morgens von 11 bis nachts vier Uhr.

Fragen: Christine Holch