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Regionalverkehr: Hauptstadt mit Speckschwarte

■ Stadtforum (I): Keiner will den Speckgürtel um Berlin, doch Verkehrsplaner versagen

Berlin. Keiner wird gerne dick, und ebenfalls möchte keiner, daß sich um Berlin ein Speckgürtel legt. Wie der Stadtrand auf Diät gesetzt werden kann, erläuterte Hans Leister von der Landesentwicklungsanstalt Brandenburg am Wochenende auf dem 33. Stadtforum und stellte eine entsprechende Eisenbahnkonzeption vor. Von der Notwendigkeit einer „Stadtrand-Diät“ sind zwar Stadtplaner, Architekten wie Politiker gleichermaßen überzeugt, doch tatsächlich wurden die Ideen der Brandenburger von vielen nur belächelt. Was hatte die Entwicklungsanstalt vorgeschlagen?

Der Speckgürtel könne verhindert werden, lautete die These von Verkehrsplaner Leister, indem sechs Zentren im Umland wie beispielsweise Frankfurt/Oder mit der Eisenbahn besser angebunden werden. Diese sechs Zentren, teilweise schon heute untereinander mit der Eisenbahn verbunden, sollen den von Berlin aus gesehen dritten Eisenbahnring bilden. Zwischen diesem Ring und Berlins S-Bahn-Ring müsse der sogenannte Regionalexpreß-Verkehr mindestens jede halbe Stunde fahren, „auch wenn zu Anfang Züge nur aus zwei Waggons bestehen sollten“, meinte Leister. In Orten zwischen den 50 bis 70 Kilometer entfernten Städten und Berlin dürfe nur die Regionalbahn (der Volksmund sagt auch Bummelzug) halten.

Doch das von Berlinern dominierte Stadtforum reagierte zurückhaltend. Denn natürlich müßten einige der insgesamt milliardenschweren Geldsäcke, die in die Tunnelröhren unter dem Tiergarten gestopft werden sollen, an die Brandenburger abgegeben werden. Ihr gewichtigstes Argument gegen einen Ausbau des Brandenburg-Berliner Regionalnetzes in den kommenden zehn Jahren: Für den Regionalexpreß gebe es keinen Bedarf – statt zwei Waggons alle halbe Stunde genügten Linienbusse. Rüdiger Lemnitz, Bahnplaner der Berliner Verkehrsverwaltung, sprach sich gar gegen die Wiederbelebung des Berliner Nahverkehrsnetzes aus. Denn für die gewünschten Projekte bräuchte man zweistellige Milliardensummen – doch gebe es die kommenden zehn Jahre bisher nur knapp über drei Milliarden Mark. Der teure Bau der insgesamt vier Tiergartentunnel begründete Berlins Bahnplaner dagegen mit „Sachzwängen“.

Der renommierte Nahverkehrsexperte Volker Sparmann erinnerte zwar daran, daß derjenige, der auf ein eigenes Auto umsteige, nur sehr schwer auf die Schiene zurückzugewinnen sei, doch auch das nützte nicht. Der Regionalverkehr bleibt unattraktiv – die Stadt setzt Speck an. Dirk Wildt

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