"Betonköpfe"

■ Karl-Heinz Dellwo über sein Interwies mit dem ZDF, das am 31. März ausgestrahlt wurde

Als „Dokument der Uneinsichtigkeit“ bezeichnete ZDF-Moderator Alexander Niemetz das Interview des „heute-journals“ mit Karl- Heinz Dellwo in seiner Abmoderation. In der Anmoderation von Niemetz war die Rede vom „Ende eines Waffenstillstandes“ als „Antwort“ auf das „Zeichen der Versöhnung“ des ehemaligen Justizministers Klaus Kinkel (FDP). Das Interview des ZDF-Mitarbeiters Matthias Andrich wurde am vergangenen Mittwoch ausgestrahlt.

Dellwo, wegen des Überfalls auf die Stockholmer Botschaft zu lebenlanger Haft verurteilt, nimmt in der taz Stellung zu der Sendung. Das Interview sei durch Kürzungen, Schlagzeilen und die Abmoderation ins Gegenteil gewendet worden. Hier die Erklärung des Celler Gefangenen:

Wenn wir in der Öffentlichkeit zu Wort kommen, heute für einige möglich nach Jahren der erzwungenen Mediensperre, stoßen wir auf die immer gleichen Reflexe: Entweder werden wir übertitelt als „Abschwörer“ oder als „Hardliner“. Das ist der Bewegungsrahmen, in den wir von Politik und staatstragenden Medien hineingezwungen werden sollen. In jedem Fall soll der eigene Inhalt, wo nicht enteignet, so doch überlagert werden mit dem Stempel der (Definitions-)Macht.

Die Schlagzeile soll die Wahrnehmung präformieren. Im schnell vorbeirauschenden Medium verfliegt der Text, die Schlagzeile bleibt. Auch das haben wir satt.

Ich habe dem ZDF am 31.3.93 ein Interview gegeben. Der Text hatte eine klare Aussage: Es muß von seiten der Politik ein Schritt getan werden, eine Zäsur kommen. Wir haben jahrelang, besonders seit dem Hungerstreik 1989, eine Initiative nach der anderen ergriffen und sind mit allem auf Beton gestoßen. Auf die sog. „Kinkel-Initiative“ folgte das Einleiten neuer Verfahren. Das definieren wir als Eskalation. Im April letzten Jahres wurde mit der RAF-Erklärung ein historischer Einschnitt in einer 22jährigen Konfrontation gemacht. Zwei weitere Erklärungen folgten. Sie waren eindeutig, kein taktischer Versuch, sondern eine klare Entscheidung für eine neue Entwicklung. Bis heute konnten wir über diese Erklärungen nicht einmal miteinander diskutieren. Das ist die Negation der Gefangenengruppe, und das drückt aus, daß trotz aller Bekundungen die staatliche Seite an ihren alten Absichten festhält: die Gruppe der Gefangenen zu spalten, die politische Gegenposition bei uns auszulöschen. Statt mit einer 22jährigen repressiven Logik zu brechen, von der sie heute wissen müssen, daß sie gescheitert ist, taktieren sie nur und spielen auf Zeit.

Das war der Inhalt des Interviews. Die für das „heute-journal“ fertiggestellte – schon gekürzte – Interviewfassung wurde so nicht gesendet. Statt dessen wurden nachträglich so viele Interviewpassagen zusätzlich so gestrichen, daß die eindeutige Intention des Interviews für das ZDF disponibel wurde. Das ZDF hat in der Anmoderation versucht, den eindeutigen Inhalt des Interviews durch ihre Schlagzeilen ins Gegenteil zu wenden. Was für die Kategorie „Abschwören“ nicht hinzubiegen war, wurde nun versucht in das Muster der „unbeirrbaren Hardliner“ zu pressen. Eine Berichterstattung von Betonköpfen im Medienapparat.

Aber ein politisches Umgehen mit der Frage der politischen Gefangenen in der BRD, d.h. die Freiheit aller, setzt auch voraus, daß unsere Tatsachen und Inhalte unverfälscht wiedergegeben werden, auch wenn daran die Bilder und Bemühungen brechen, die Staat und Medien öffentlich gegen uns in den letzten 23 Jahren eingesetzt haben.