Bill hatte ein Carepaket für Boris dabei

■ Beim Gipfeltreffen in Vancouver konnte Jelzin sein Gesicht wahren/ Clinton wirbt für stärkere Unterstützung der Reformen in Rußland

Washington (taz) – Der eine kam vom Waldgipfel, womit ein Spitzentreffen zwischen Umweltschützern und der Holzindustrie gemeint ist. Der andere hatte sich kurz vor Abflug von seinen Militärs noch einmal versichern lassen, daß sie ihn in seiner Abwesenheit nicht stürzen würden. Viel mehr mußte man nicht wissen, um sich über die prekäre Ausgangslage des zweitägigen Gipfeltreffens zwischen US- Präsident Bill Clinton und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin im klaren zu sein.

Daß das Treffen auf neutralem Boden im kanadischen Vancouver stattfand, gab zum einen dem scheidenden kanadischen Premierminister Brian Mulroney noch einmal die Chance, den Gastgeber zu spielen. Zum andern ersparte es der russischen Delegation, der amerikanischen Nationalhymne lauschen zu müssen – eine von zahlreichen protokollarischen Strategien, die Boris Jelzin helfen sollen, das Gesicht zu wahren. Auslandshilfe akzeptieren zu müssen sei schon beschämend genug, ließ Rußlands Premierminister Viktor Tschernomyrdin in Moskau verlauten, während Boris Jelzin in Vancouver aus dem Flugzeug stieg, um eben diese Hilfe entgegenzunehmen. „Zuwenig ist schlecht, weil wir dann nicht in der Lage wären, unsere Probleme zu lösen“, erklärte Jelzin auf einer ersten Pressekonferenz mit Gastgeber Mulroney. „Zuviel ist schlecht, weil dann die Kommunisten sagen würden, daß wir an der Kette des Westens liegen.“

Ein Hilfsprogramm im Umfang von einer Milliarde Dollar präsentierte Bill Clinton gleich am ersten Tag. Die Gelder waren schon unter der Bush-Administration vom US-Kongreß bewilligt worden und sollen nun unter anderem für Privatisierung von Staatsbetrieben, für den Wohnungsbau für heimgekehrte Soldaten und als Starthilfe für neue Unternehmer verwandt werden. Darüber hinaus versprach Clinton dem russischen Präsidenten weitere Finanzhilfe für das Haushaltsjahr 1994. Bislang sieht das Budget für dieses Jahr nur 700 Millionen Dollar an Hilfe für Rußland und die anderen ehemaligen Sowjetrepubliken vor. Doch Clinton will nun den Kongreß um mehr Geld bitten – eine Ankündigung, die einige Abgeordnete in ersten Reaktionen sehr reserviert zur Kenntnis genommen haben. Neben der Situation in Georgien und den baltischen Republiken waren vor allem auch die geplante internationale Hilfe der G-7-Nationen und die russische Geldpolitik Thema in Vancouver. Auf seiten der US-Delegation waren Finanzminister Lloyd Bentsen und Lawrence Summers, Staatssekretär für internationale Angelegenheiten und Experte in Fragen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, mitgereist. Auf russischer Seite sitzt ihnen Boris Fjodorow, stellvertretender Premierminister und Finanzminister, gegenüber.

Bill Clinton war unterdessen nicht nur in Zwiegesprächen mit Boris Jezin zu hören. Während der Präsident in Vancouver weilte, wurde seine allwöchentliche Radioansprache ausgestrahlt, in der er nachdrücklich an die Großzügigkeit der Amerikaner appellierte – allerdings immer darum bemüht, deutlich zu machen, daß nicht die USA allein die Rechnung bezahlen werden. „Wir müssen jetzt die Welt so für den Friedens- und Reformprozeß in Rußland mobilisieren, wie wir sie einst für den Golfkrieg mobilisiert haben.“ Vielleicht rechnet sich der wirtschaftliche Rußlandfeldzug ebensogut wie der Krieg gegen den Irak. Andrea Böhm Kommentar Seite 10