Von wegen Grufties

■ Premiere von –Einst Lear - heute wir– des Altentheaterprojektes des Thalia im TiK

des

Altentheaterprojektes des Thalia im TiK

Eine liebreizende Kaffeerunde: Auf antiken Stühlen mit Spitzendecken sitzen die 15 Akteure des Altentheaterprojektes aufgereiht dem TiK-Publikum gegenüber. Einst Lear - heute wir ... nennen sie ihre lose Szenefolge, die sie mit Astrid Eggers erarbeitet haben. Gemeint ist das Älterwerden, aber auch die Eroberung der Bühne. Dabei geht es weniger um das Theater der fremden Rollen: Die etwas bessere Alltagskleidung und das fehlende Bühnenbild verdeutlichen, daß hier das Spielen mit der eigenen Rolle in unserer Gesellschaft, die Reflexion über eigene Erfahrungen und Lernprozesse im Alter das zentrale Anliegen sind.

Die Aufführung beginnt mit einer Umfrage über Betten. Fast schwärmerisch antwortet eine Joggerin. Doch bei der letzten Frage stellt sich heraus: „Zu alt!“. Dem setzen die Damen und der Herr von knapp sechzig bis 86 Jahren ein fast kämpferisches Credo entgegen: „Wir sind die Grufties. Mit Schwung und Pep und Mut.“

Ein noch älterer Grufti, Shakespeares King Lear, der von seinen habgierigen Töchtern verstoßen wurde, die einzig ihn liebende Cordelia aber enterbt hatte, dient als Ausgangspunkt für die folgenden 17 Szenen. Kurze Passagen des Dramentextes werden zitiert. Sie funktionieren wie Katalysatoren für eigene Gedanken und Auftritte, die mit der fast 400 Jahre alten Tragödie nur wenig zu tun haben. Mutter/Töchter-Beziehungen, gewalt-

1same Trennung von einem Paar im Altersheim oder die Ausgrenzung aktiver Alter durch sinnlose Konventionen („Oma, laß das!“) sind das wahre Thema.

Die Darstellungsform wechselt zwischen Spielszenen, Monologen und auch mal pantomimischen oder tänzerischen Einlagen. Die älteren Damen und ihr männlicher Mitstreiter sind weder um Phantasie, noch um Spiellaune verlegen. Und

1einige spielen erstaunlich gut.

Die Kürze der Szenen führt natürlich manchmal zu einem plakativen Charakter, besonders dort, wo Aussage oder Pointe das Spiel dominieren. Absolut gelungen sind die Szenen, wo sie künstlich gebrochen werden. Die vierfach synchrone Frühstücksszene um das fehlende Salz oder der Vater, dem die habgierigen Töchter den Kuchen entreißen. Hier wäre jedes

1erklärende Wort weniger gewesen. Die Beschäftigung mit der „Haut“, jung und alt, rosig und runzlig, hat im Workshopcharakter mit Schattenspiel und freien Assoziationen eine eigentümliche Qualität.

Am Ende ist eines klar: Mit diesen Alten ist noch zu rechnen, manchmal sind sie angenehm unbequem. Manchmal werden sie sogar mit Applaus und Blumen überhäuft. Niels Grevsen