Englands bunte Jazzballons

■ Flitzeschnell, originell: britischer Jazz mit „Iain Ballamy's Balloon Man“

Schade, daß nicht mehr Menschen nach Bremen-Nord gekommen waren! In letzter Zeit scheint es nur noch überfüllte oder schlecht besuchte Jazzkonzerte zu geben. Die bekannten Namen ziehen, aber auf das Risiko einer Neuentdeckung lassen sich immer weniger ein. So verloren sich am Sonntag abend wieder knapp dreißig Zuhörer in den Stuhlreihen des KITO, und der Bandleader Iain Ballamy empfand nach der Pause die Ruhe im Raum als „beängstigend“.

Er und seine Band „Balloon Man“ hatten in den letzten Tagen Studioaufnahmen bei Radio Bremen gemacht, und selbst der verstimmte Steinwayflügel, der Pianist Django Bates dazu verdammte, die schönsten Klavierpassagen auf dem Keyboard zu spielen, konnte ihre Spielfreude nicht mindern.

Die Bandbreite ihrer Musik reichte von romantischen Balladen über flitzeschnell gespielte BeBoparrangements bis zu freien Passagen. Mit fast enzyklopädischem Ehrgeiz ließen sie auch Dixieland, Blues und Calypso in ihren Kompositionen auftauchen, die sich aber nie im bloßen Zitieren erschöpften, sondern die Elemente immer originell und mit viel Witz vereinten.

Am interesantesten waren dann auch ihre etwas abseitigen, skurrilen Stücke: etwa eine Jahrmarktsmusik mit dem Titel „haunted swing“, in der Rhythmus und Harmonien betrunken und schwindlig umherzuwanken schienen. Eine ihrer „eher unangenehmen Nummern“ (so Ballamy selbst in seiner Ansage), war die chaotische Kriegserklärung an kleine, neurotische Hunde mit dem passenden Titel „Rat on stilts“, und eine Hommage an den Saxophonisten Rahsaan Roland Kirk entpuppte sich ausgerechnet als parodistischer Tango.

Ballamy spielte auf Tenor-, Alt- und Sopransaxophon mit der gleichen Intensität und Kraft — auf dem Tenor ließen sich allerdings noch am ehesten die Vorbilder wie etwa Pharoah Sanders ausmachen. Keyboarder Django Bates, der auch ein Solo auf dem Tenor Horn spielte, klang bei lyrischen Pianosoli genauso ungewöhnlich und frisch wie auf dem Synthesizer mit rockigen Bassläufen oder schrill nervösem Mißklang.

Bassist Steve Watts und Schlagzeuger Martin France hielten sich dagegen mit englischem Understatement zurück, aber ihr unaufällig swingender Rhythmus gab der Band eine solide Basis. Es war ein spannender Auftritt voller musikalischem Esprit. Auf die Radio- Aufnahmen der Band darf man gespannt sein.

Willy Taub