Da war nichts zu machen

■ Egon Krenz gibt bei der PDS Auskunft über den Untergang der DDR

Kreuzberg. Nun ist es raus. Die Spannung löst sich. Egon Krenz wippt nicht mehr nervös mit dem rechten Fuß. Gerade hat er – der es als letzter SED-Generalsekretär wissen müßte – die Wahrheit über den Untergang der DDR erklärt. Eigentlich, so ist zu vernehmen, war am 18. Oktober 1989, als er von Erich Honecker die SED- Macht als Generalsekretär übernahm, gar nichts mehr zu machen. „Wir haben zuviel Zeit verstreichen lassen“, sagt er und sieht dabei gar nicht zerknirscht aus. Laut, teilweise sehr laut, legte der Mann, der 49 Tage an der Spitze des SED- Staates stand, am Montag abend in einem völlig überfüllten Saal der Kreuzberger PDS seine Sicht des DDR-Untergangs dar.

Erstmals seit seinem Parteiausschluß aus der SED-Nachfolgepartei PDS hatte die ihn als „Zeitzeuge“ zu dem Thema „Wie und warum endete die DDR?“ eingeladen. Sehr viele ältere Berliner hatten Interesse an „ihrem Genossen Egon“. Einer wollte wissen, ob Krenz nicht hätte etwas „machen können, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen“. Zum Beispiel „unsere Sicherheitskräfte“ einsetzen. Doch Krenz mußte den alten Genossen enttäuschen. Als die Mauer am 9. November fiel, sei ihm nur die Wahl geblieben, das Militär zu mobilisieren oder den Dingen und damit den DDR-Bürgern ihren Lauf zu lassen. Den „Einsatz des Militärs hätte es mit mir nicht gegeben“, sagte er zurückblickend. Schließlich „wollte ich ja kein kleiner Stalin sein“.

Dennoch fühlt sich Krenz schuldig, in mehrfacher Hinsicht. „Ich empfinde Schuld, daß wir den Sozialismus nicht realisiert haben.“ „Unsere Schuld sehe ich darin, keine andere Konzeption in Erwägung gezogen zu haben als die Perestroika.“ „Wir sind schuld daran, daß der Sozialismus entartet ist. Das kann ich nur zutiefst bedauern.“ Die Zuhörer nahmen's hin.

Krenz bedauert auch die Opfer an der – das Wort kommt ihm nur schwer über die Lippen – Mauer. Er verwehre sich dagegen, daß die DDR-Führung eine „schießwütige Riege“ gewesen sei. Und dann rückt er das Weltbild wieder richtig zurecht. In der Bundesrepublik sei auch deshalb „einiges Gutes und Lobenswertes entstanden, weil es die DDR gab“.

Nach zweieinhalbstündiger Diskussion atmet der Mann im graublauen Anzug erleichtert auf. Er legt seinen Block wieder in seine schwarze Aktentasche, die ohne den Block zusammengeknickt war. Die erste PDS-Veranstaltung hat er ohne große Probleme überstanden. Dann gibt der einstige DDR- Politstar Autogramme. Heinz-Joachim Schöttes (dpa)