Starck: Die Nudel

„Ich gebe Euch, was Ihr braucht“: Ein Designer stellt sich seinen Bewunderern  ■ Von Georg von Grote

Die kreative Genialität eines Kindes, verbunden mit dem Charme eines ausgebufften Verkaufsprofis: Das ist das Erfolgsrezept des französischen Innenarchitekten und Designers Philippe Starck. Dieses Gespür für die Kunst der Selbstdarstellung war es auch, die ihn bewog, seinen ersten großen Auftritt in Deutschland nicht etwa in einer Metropole, sondern in Burghausen, einem verträumten Städtchen in Ost-Bayern an der Grenze zu Österreich, stattfinden zu lassen. Zur Eröffnung erschien er kurz, um einem aus allen Teilen Deutschlands angereisten Design-Jet-Set sein Credo zu verkünden: „Ich gebe Euch, was Ihr braucht“, um im gleichen Atemzug fortzufahren, daß die Angesprochenen im Prinzip nicht bräuchten, was er ihnen gibt.

Sein Dia-Vortrag, gehalten in einem charmanten Kauderwelch aus französisch und englisch, war reine Unterhaltung und funkelte vor Esprit, machte aber auch deutlich, wie asymmetrisch Starck ist, wie widersprüchlich seine Ansätze sind.

Als Architekt und Innenarchitekt entwickelt er ein sensibles Gespür, wie weit seine Spielereien gehen können, ohne die Funktion zu beeinträchtigen. Das „Café Costes“ in Paris, das Hotel „Royalton“ in New York, wie auch die Restaurants „Teatriz“ (Madrid) und „Paramount“ (New York) sind stumme Zeugen seiner lauten, überschäumenden Kreativität. Daneben benutzt Starck Symbole als Hinweis auf die Funktion des Gebäudes: ein riesiges Objekt, das er selbst despektierlich als verschrumpelte Karotte bezeichnet, auf dem Dach des Restaurants „Ashai“ in Tokio, oder eine aus dem Obergeschoß einer Messerfabrik herausragende Klinge. Im Vergleich fällt seine Innenarchitektur karg aus. Am Beispiel des Badezimmers: Spiegel, Becken, Wasserhahn, allerdings seinem Geständnis folgend: „I love toilets“. Ein großer Spiegel also, aus dem ein Wasserhahn wie ein Schnabel ragt und ein Auffangbecken in der für ihn so typischen Kegelform. Genial und durchdacht ist seine im Auftrag eines französisch- amerikanischen Kosmetikkonzerns entwickelte komplette Einrichtung für Coiffeure. Klare schnörkellose Formen bis hin zu dem seitlich aus der Armlehne herausziehbaren Aschenbecher. Bei diesen Aufträgen weiß Starck, was er seinem Namen schuldig ist.

Nimmt man dagegen die Palette seiner Objekte für den alltäglichen Hausgebrauch unter die Lupe, kommt das zum Vorschein, was Starck eingangs seines Vortrages postulierte, sozusagen seine andere Hälfte: „Weder Funktion, Ausführung, noch das Endprodukt“ interessiere ihn. Starck mutiert regelrecht zum Design- Clown. Bestes Beispiel: „Hot Bertha“, schön, teuer und unnütz: Ein Wasserkessel, aus dem Wasser aus allen Öffnungen quillt, nur nicht aus der, aus der es sollte. Als Gebrauchsobjekt ebenso eine Niete wie „Juicy Salif“, die Zitronenpresse auf Spinnenbeinen. Er spielt mit Formen und zeigt Mut zum Kitsch. Die kleine Tischlampe „Miss Sissi“ hat etwas von einem Tombolapreis auf einer Vorstadt- Kirmes: Plastik, bieder, schrille Farben; die mit der Form gegossenen Nähte suggerieren Kunstlederüberzug.

Starck gibt sich als Illusionist: Er fühle sich zuständig für die schönen Dinge des Lebens, die Freude vermitteln sollen, und zwar für alle. Seine Objekte seien „für ein paar Schachteln Zigaretten“ zu haben oder seine Zahnbürste (25 DM) koste etwa „genausoviel wie jede handelsübliche“. Offenbar war Starck, der für das Kaufhaus produzieren möchte, schon lange nicht mehr dort.

Ihm, der den Kunststoff so sehr liebt, weil er in jede Form gepreßt werden kann, wäre man bei seinen Worten: „Umweltschutz ist keine Aufgabe, sondern eine Pflicht“ geradezu geneigt gewesen zu applaudieren, wenn nicht die Zahnbürste ihn bereits widerlegt hätte: Eingeschweißt in eine sicherlich sehr geschmackvoll gestaltete, im Umfang aber auf das Vierfache aufgeblähte Verpackung – aus Kunststoff selbstverständlich. Damit hat er, von ihm sicherlich nicht bedacht, zumindest für den deutschen Markt eine regelrechte „Umverpackung“ kreiert, direkt für den Container neben der Ladenkasse. So erscheint Starck als Sprücheklopfer: Dampfplauderer und Entertainer einer überzogenen Design-Show.

Die Starck-Nudel: Außen unscheinbar rund mit gegenüberliegenden Höckern. Aufgeschnitten erscheint das ewige Symbol von Ying und Yang und sie besteht, wie er allen Ernstes behauptet, „ganz bewußt aus 90 Prozent Luft und nur zu 10 Prozent aus Pasta“. Sein Prinzip: „Sie so lange zu kochen, daß 90 Prozent zu weich und ungenießbar sind, aber: die beiden Höcker, weil massiv, bleiben al dente.“

Eingezwängt in einen viel zu kleinen Raum auf Deutschlands größter Burganlage, meucheln sich seine Objekte gegenseitig. Man gewährt ihnen keine Distanz und der Rezipient hat ob der Enge regelrecht Schwierigkeiten, die Entwürfe von allen Seiten zu betrachten. Der Besucher erfährt auch nichts von Starck, dem Innenarchitekten. Geboten wird nur der Starck, der ein schönes Leben verspricht. „The better life“, wie er es nennt. Stärker kommt der Verkaufsprofi zum Vorschein: Die gleichzeitig stattfindende Verkaufsausstellung präsentiert sich nämlich in den attraktiven Räumen einer Tankstelle und Autowerkstatt aus den fünfziger Jahren. Dort sind Zahnbürsten die Highlights, inklusive Verpackung.

Philippe Starck. Burg Burghausen und bei MOBILIAR – Wohndesign im Loft. Bis zum 18. April.