■ Geheimabsprache der USA und Rußlands in Vancouver
: Clintons bosnisches Bauernopfer

„Bill Clinton hat in Vancouver seine außenpolitische Reifeprüfung abgelegt.“ So und ähnlich wohlwollend lauteten die meisten Kommentare zum Gipfeltreffen des USA-Präsidenten mit seinem russischen Kollegen Jelzin. Auf jeden Fall hat der langjährige Gouverneur von Arkansas in Vancouver bewiesen, daß er den Kurs in außenpolitischer „Realpolitik“, dem ihm die aus Carters Zeiten stammende Altherrenriege des State Department verpaßte, schnell begriffen hat. Clintons schneller Lernprozeß wird vor allem an der als geheim eingestuften Absprache mit Jelzin zu Rest-Jugoslawien deutlich. In ihr einigten sich die USA und Rußland darauf, die gegen Serbien und Montenegro gerichteten Sanktionsbeschlüsse im UNO-Sicherheitsrat zu verschieben – mit Rücksicht auf die Gefahr, die Jelzin von der nationalistisch-proserbischen Front seiner Gegner droht.

Bis zum Herbst 89 entsprangen derartige Absprachen der Logik der Ost-West-Konfrontation. Heute, da diese historische Phase als überwunden gilt, klingen die Bezeichnungen für das Verhältnis zwischen Washington und Moskau sehr viel positiver. Clinton beschwor in Vancouver die „strategische Allianz mit den Reformkräften in Rußland“. Für die leidenden Menschen in Srebrenica und anderen bosnischen Städten ist dieser Wechsel in der Terminologie ohne jede Bedeutung. Denn jeder Tag, um den die neue „strategische Allianz“ effektive Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft gegen Belgrad hinausschiebt, verlängert ihre Leiden.

Von einem gewissen Unbehagen Clintons über sein bosnisches Bauernopfer zeugt die Tatsache, daß die Absprache mit Jelzin geheim bleiben sollte. Verständlich angesichts der allzu häufigen Veränderungen seiner Haltung zu Bosnien in den letzten acht Monaten. Im Präsidentschaftswahlkampf forderte Clinton die Aufhebung des Waffenembargos für die Muslime. Nach seinem Amtsantritt erweckte er wochenlang den falschen Anschein, seine Administration entwickle ein für die Muslime vorteilhafteres Konzept als den Vance/Owen-Plan. Tatsächlich begnügte sich Clintons Sonderbeauftragter am Verhandlungstisch in New York damit, Bosniens muslimischen Präsidenten Izetbegović zur letzte Woche erfolgten Unterschrift unter eben diesen Vance/Owen-Plan zu drängen. Kaum war das geschafft, verweigerte die US-Regierung diesem Plan die notwendige Unterstützung im Sicherheitsrat – was wiederum bei den bosnischen Serben die Hoffnung nährt, sie könnten neue Verhandlungen und ein für sie günstigeres Ergebnis erreichen. Zum Beweis außenpolitischer „Reife“ gehört vielleicht doch mehr als ein erfolgreicher Gipfel mit Jelzin. Andreas Zumach, Genf