Neue Galgenfrist für Restjugoslawien

■ Geheimabsprache Clinton–Jelzin

Genf/New York (taz) – Aufgrund russischer Bedenken hat der UNO-Sicherheitsrat die Enscheidung über eine Verschärfung der Sanktionen gegen das aus Serbien und Montenegro bestehende Restjugoslawien zunächst auf den 12.April vertagt. Zuvor hatte US- Präsident Clinton seinem russischen Amtskollegen Jelzin bei dem Gipfeltreffen der beiden Staatsoberhäupter am Wochenende in Vancouver in einer inzwischen bekanntgewordenen geheimen Absprache die Berücksichtigung der russischen Bedenken zugesagt.

Offiziell wurde die Verschiebung der Sicherheitsrats-Entscheidung damit begründet, die Formulierung der Resolution bedürfe mehr Zeit. Tatsächlich liegt dem Sicherheitsrat bereits seit geraumer Zeit ein im wesentlichen von Frankreich, Großbritannien und Spanien formulierter Entwurf vor. Dort wird erneut eine „Totalisolierung“ Serbiens gefordert. Die EG-Außenminister hatten diese Maßnahme bereits im Februar für den Fall gefaßt, daß die bosnischen Serben den Vance-Owen-Plan nicht unterzeichnen sollten. Der Beschluß sieht die vollständige Unterbindung des grenzüberschreitenden Verkehrs auf dem Land-, Wasser- und Luftweg nach Restjugoslawien, und damit die Einstellung jeglichen Transitverkehrs vor.

Im Ausland befindliche Schiffe und Lastwagen aus Serbien und Montenegro sollen nach dem Vorschlag beschlagnahmt werden. Weiterhin ist die Einstellung des Post-, Bank- und Telefonverkehrs mit dem Ausland sowie das Einfrieren von Auslandsguthaben vorgesehen. Weitere Maßnahmen gegen restjugoslawische Firmen im Ausland bis hin zu deren vorübergehender Schließung sowie der Abbruch kultureller Beziehungen werden in dem Papier erwogen. Der Resolutionsentwurf sieht vor, daß die Sanktionen 15 Tage nach einem Beschluß des Sicherheitsrates in Kraft treten, wenn die bosnischen Serben bis dahin nicht alle vier Teile des Vance-Owen-Plans unterzeichnet haben.

Rußlands New Yorker UNO- Botschafter Woronzow erklärte am Montag abend, er habe bislang „keine Instruktionen aus Moskau“ erhalten. Zugleich wurde jedoch bekannt, daß Jelzin den amerikanischen Präsidenten Clinton am Wochenende mit Hinweis auf die großen Sympathien für die Serben unter seinen innenpolitischen Gegnern um die Verschiebung des Sicherheitsratsbeschlusses um zunächst eine Woche ersucht und eine entsprechende Zusage des US-Präsidenten erhalten hatte. Bereits die schließlich am 1. April gefallene Entscheidung des Rates über militärische Maßnahmen zur Durchsetzung des Flugverbotes über Bosnien war auf Betreiben Moskaus insgesamt fast zwei Monate hinausgezögert worden.

Die Vorsitzenden der Jugoslawienkonfernez, Cyrus Vance und David Owen, zeigten sich enttäuscht über die Verschiebung des Sanktionsbeschlusses. Entgegen ihrer festen Erwartung hatte der Sicherheitsrat zuvor schon auf Wunsch der USA von einer förmlichen Unterstützung für das von Muslimen und Kroaten inzwischen vollständig unterzeichnete Bosnien-Abkommen abgesehen. Andreas Zumach