Versichern wird teurer in der Chemie

■ Kostensteigerung durch neue Gesetze, mehr Umweltbewußtsein und durch die Hoechst-Unfallserie

Berlin (taz) – Die Chemiefirmen zahlen heute wesentlich höhere Prämien für die Haftpflichtversicherung als vor 10 bis 15 Jahren. „Zweistellige Millionenbeträge werden für die großen deutschen Chemiekonzerne jedes Jahr fällig“, so Herbert Schilling, der im Vorstand der Gerlingversicherung für den Haftpflichtbereich zuständig ist. Grund dafür sei vor allem die größere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. „Früher reichte vielen Anwohnern nach einer Chemiewolke eine Autowäsche“, sagt er. Heute würden nach einem Unfall wie in Griesheim nicht nur Fassaden und Straßen dekontaminiert; auch Sträucher und Wiesen müßten abgetragen werden. Der Gerling-Konzern, bei dem alle Nachfolgeunternehmen der I.G. Farben versichert sind, rechnet damit, daß der erste Hoechst-Unfall der jüngsten Serie zwischen 30 und 50 Millionen Mark kosten wird. Rund 1.000 Kleingeschädigte seien bereits entschädigt worden; die Säuberung weiter Teile des Erdreichs aber stehe noch aus.

Das tut Konzernen mit einem Umsatz von rund 45 Milliarden Mark erst ein bißchen weh. Versichert sind Großunternehmen wie Hoechst nämlich für Schäden von mehreren 100-Millionen Mark. Wenn das nicht reicht, muß eine Rückversicherung einspringen, bei der die Versicherung ihr Risiko begrenzen. Aber die Großkonzerne haben dort häufig auch direkte Verträge. Der Pressesprecher der Münchener Rückversicherung Jacobi bestätigte jedenfalls, „daß wir bei allen deutschen Großrisiken auf die eine oder andere Weise beteiligt sind.“ Auf die Frage nach einem Vertrag mit Hoechst sagte er: „Über zweiseitige Geschäftsbeziehungen geben wir keine Auskunft.“ Die Münchener sind jedenfalls an Hoechst interessiert: Ihr Chef sitzt schon traditionell im Aufsichtsrat der Hoechst AG.

Wieviel Hoechst, BASF und Bayer an Gerling überweisen, will Gerling-Sprecher Schilling nicht sagen. Die Prämien seien aber in letzter Zeit deutlich angehoben worden. Grund dafür sei das Umwelthaftungsgesetz vom 1. Januar 1991, das die Unternehmen auch dann für Schäden haftbar macht, wenn kein Bedienungsfehler zu dem Unfall geführt hat. „Auf diese Weise entfällt der Streit, ob es technisches oder menschliches Versagen war“, so Schilling. Die Versicherung muß also in jedem Fall zahlen – und will dafür natürlich auch mehr einnehmen. Die neuste Störfallserie wird zu einer noch weiteren Anhebung der Prämien für die gesamte Branche führen, prophezeit Schilling. aje