Nur der Frühling senkt die Arbeitslosenzahlen

■ Jetzt 3,4 Millionen offiziell und 6 Millionen real ohne Arbeit/ Spürbar geringere Frühjahrsbelebung/ Rezession drückt die Arbeitslosenquote

Nürnberg (taz) – Knapp 3,4 Millionen Menschen waren in Deutschland im März ohne Arbeitsplatz. Weitere 2,4 Millionen wären arbeitslos, wenn nicht die arbeitsmarktpolitischen Instrumente der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) greifen würden. Insgesamt fehlen also tatsächlich knapp 6 Millionen Arbeitsplätze, obwohl derzeit „die Frühjahrssonne den Arbeitsmarkt schönt“, wie BA-Präsident Bernhard Jagoda bei der Vorstellung der neuesten Arbeitsmarktdaten betonte.

Im März verzeichneten die Arbeitsämter in den alten Bundesländern 2,22 Millionen Arbeitslose. Das waren zwar über 64.000 weniger als im Februar, doch normalerweise geht die Zahl der Arbeitslosen von Februar auf März um gut 120.000 zurück. Rechnet man die alljährliche Frühjahrsbelebung mit ein, ist also saisonbereinigt von einem Anstieg der Arbeitslosenzahl in Höhe von 56.000 auszugehen.

Daraus folgert Jagoda, daß sich der „wirtschaftliche Abschwung im Westen fortgesetzt“ habe. Zudem hat sich die Zahl der Beschäftigten saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 40.000 verringert. Die Anzahl der Kurzarbeiter stieg im März gegenüber dem Vormonat um 19.800 auf 1,06 Millionen Personen.

In den neuen Bundesländern hat sich die Arbeitslosigkeit um 40.100 auf 1,14 Millionen verringert. Die Statistiker der Bundesanstalt für Arbeit führen dies jedoch „zum großen Teil auf saisonale Einflüsse“ zurück. Damit beträgt die Arbeitslosenquote im März genau 15 Prozent, bezogen auf die Ende Juni vorigen Jahres erhobene Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Zuvor wurden die Ergebnisse der Berufstätigenerhebung von November 1990 verwendet. Der in der Zwischenzeit eingetretene Beschäftigungsabbau und die Pendlerbewegungen gehen jetzt erstmals in die Arbeitslosenquote mit ein.

Die Zunahme der Kurzarbeit in den neuen Ländern um 11.400 auf 246.000 wertete Jagoda „keinesfalls nur als negativ“. Es signalisiere im Gegenteil „auch ein gewisses Vertrauen in die zukünftige Entwicklung“, wenn die Betriebe versuchen, ihre Arbeitnehmer über Kurzarbeit zu halten, anstatt sie zu entlassen.

Finanzielle Engpässe und gesetzliche Einschränkungen verringerten die Entlastungseffekte von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Im ersten Quartal 1993 gingen die Eintritte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den neuen Ländern um ein Sechstel, in den alten um mehr als ein Drittel zurück. Trotzdem weigerte sich Jagoda, die ABM „als tot“ zu bezeichnen.

Er hofft mit den zusätzlich bewilligten zwei Milliarden Mark die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf „relativ hohem Niveau weiterfahren“ zu können. Auch die Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung sind stark rückläufig. Ihre Zahl ging in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahr im Osten um drei Fünftel, im Westen um ein Drittel zurück. Bernd Siegler