Wenn dein starker Arm es will...

■ MetallerInnen wollen in Sachsen streiken/ Arbeitgeber hart, Biedenkopf landesväterlich

Berlin (taz/dpa) – Der Tarifstreit in der ostdeutschen Metallindustrie wird zur Kraftprobe: Nach dem Scheitern des Kompromißvorschlages für Sachsen ist die IG Metall zum Streik bereit. Am 19. April will der Vorstand der Gewerkschaft über Anträge auf Urabstimmung in den ostdeutschen Betrieben entscheiden. IG-Metall-Chef Franz Steinkühler kündigte zugleich an, zunächst würden nach Ostern die Warnstreiks fortgesetzt.

Am Montag war der sächsische Metall- Arbeitgeberpräsident Erwin Hein zurückgetreten. Er hatte damit die Konsequenz aus der Ablehnung des Kompromisses gezogen, den er zusammen mit dem sächsischen IG-Metall-Chef Hasso Düvel im Gespräch mit Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) erarbeitet hatte. Derselbe zeigte sich enttäuscht und landesväterlich: Der Gesamtmetall-Verband habe sich in sächsische Angelegenheiten eingemischt. Sachsen sei völlig ungeeignet als „Schlachtfeld zur Austragung von Konflikten, die ganz andere Ursachen haben“.

Fast zwei Monate nach Kündigung des Stufenplanes war der Kompromiß am Montag abend im Vorstand des Verbandes der sächsischen Metall- und Elektroindustrie (VSME) gescheitert. Vize-Verbandschef Hans Peter Münter hatte erklärt, der Vorschlag sei für die Arbeitgeber „wirtschaftlich und sozial nicht zu vertreten“. Das Modell sah eine Anhebung der Einkommen für die rund 170.000 Beschäftigten in Sachsen rückwirkend zum 1.April auf 82 Prozent des Westniveaus vor. Eine volle Angleichung war aber – statt wie im gekündigten Stufenplan für 1994 – erst für 1995 geplant.

Biedenkopf warnte am Dienstag beide Parteien: Bei einem Arbeitskampf würden alle verlieren, vor allem die in Ostdeutschland lebenden Menschen. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Sachsen, Münter, wurde ganz deutlich: „Die IG Metall hat nach einem Streik vielleicht keinen Verhandlungspartner mehr, da es keine Arbeitgeber mehr gibt.“ Wer jetzt streike, so auch Gesamtmetall-Sprecher Riek, fordere die ArbeiterInnen zur Aktion gegen die eigenen Arbeitsplätze auf. Münter warf dem zurückgetretenen Hein vor, für die Verhandlungen bei Biedenkopf kein Mandat gehabt zu haben: „Das war ein Alleingang von Hein.“

Der Vorstand der IG Metall beauftragte am Dienstag auch die Bezirksleitungen, Voraussetzungen dafür zu schaffen, notfalls die Forderungen zur Erfüllung des vereinbarten Stufenplans „einzeln, Betrieb für Betrieb“ zu erstreiken. Wie Steinkühler betonte, wolle die IG Metall den Flächentarifvertrag, aber „keine Eskalation um jeden Preis“. Allerdings müßten sich die Metaller nach dem „rechtsbrecherischen Vorgehen“ der Arbeitgeberverbände in allen Tarifgebieten auf eine weitere Zuspitzung des Konflikts einrichten.

Allein in Thüringen setzten rund 10.000 MetallerInnen die Warnstreiks gegen die außerordentliche Kündigung der 1991 vereinbarten Tarifverträge fort. In Berlin und Brandenburg befanden sich mehr als 7.000 ArbeiterInnen in Warnstreiks, in Chemnitz etwa 2.000, in Sachsen-Anhalt waren es etwa 1.000. Bei einer Urabstimmung rechnet die IG Metall mit der notwendigen 75prozentigen Zustimmung zum Arbeitskampf. Seite 5, Kommentar Seite 10