: Standard statt Tango. Note 0,0
■ In gewohnt öder Weise: die Bürgerschaftsdebatte zum Solifdarpakt
zum Solidarpakt
Henning Voscherau bat zum Soli-Pakt-Tango und alle, alle waren gekommen. Die Parlamentarier in ungewohnt hoher Zahl, die Preisrichter von den Hamburger Medien, mit für die angekündigte Regierungserklärung eigens gespitzten Bleistiften, und sogar ein paar Zuschauer hatten sich auf den Rathaus-Tribünen eingefunden. Sie erlebten ein müdes Tänzchen. Nicht Tango, Standard war angesagt, althergebrachte Kringel auf dem Parlaments-Parkett. Note 0,0 für die Solidarpakt-Debatte gestern abend im Hamburger Rathaus.
Den Takt gab der Bürgermeister persönlich an: „Die innere Einheit wird Jahrzehnte in Anspruch nehmen ... Schweiß und Tränen ... der Solidarpakt ist notwendig ... das Resultat kann sich sehen lassen ... Hamburg muß sparen ... laßt uns die Ärmel hochkrempeln.“ Wer die Ärmel wie hoch krempeln muß, das sagte der Senatschef nicht. Andeutungen im Trippelschritt: „Ob Schulen oder Krankenhäuser, Fußgängerzonen oder Fahrradwege. Wir werden auf manches Bessere verzichten müssen.“ Kringel. Und Ab.
Freie Bahn für CDU-Eintänzer Rolf Kruse. Welch eine Chance, die Preisrichter zu überzeugen: „Die Wirkungen jahrzehntelanger Trennung ... Solidarpakt-Verhandlungen für Hamburg positiv verlaufen ... usw. ...“ Dann eine kleine Luftpirouette: „Der ökonomische Niedergang des Ostens wurde endlich gestoppt.“ Schließlich „das doppelte Spiel der SPD“, kräftig unterstrichen mit einem eigenen Antrag zur „Bewältigung haushaltspolitischer Herausforderungen“: Ärmel hochkrempeln durch sechsprozentige Kürzung aller Verwaltungsausgaben sowie Stellenkürzungen nach dem Zufallsprinzip „Fluktuation“. Die ersten Preisrichter verlassen den Saal.
Und verpassen den ersten Satz des neuen GAL-Fraktionschefs
1Martin Schmidt. Ein wenig steif noch beschreibt er den grünen Bogen eines alternativen Solidarpakts: „die Arbeit teilen“ statt „die Menschen in Besitzer und Nicht-Besitzer der Arbeit teilen“.
Dazu ein ökologischer Solidarpakt und auch hier ein eigener Antrag, dessen etwas schwammige Formulierungen aber nicht einmal den ungeteilten Beifall der eigenen
1Fraktion finden: „Der Senat wird aufgefordert, die Ausgaben des Haushalts 1994 an die Steuereinnahmen anzupassen (das heißt: eine Erhöhung der Zinssteuerquote gegenüber dem Haushaltsplan 1993 zu vermeiden).“ Soviel grüner Sparwille treibt manchem GAL-Politiker dann doch Tränen in die Augen.
Der letzte Tänzer, FDP-Frakti-
1onschef Reinhard Soltau, angetreten mit dem Evergreen „SPD-Senat zerstritten, orientierungslos, entscheidungs-schwach“ wirkte da fast erfrischend. Ein paar Schwünge auf dem „Scherbenhaufen“ des ersten Bürgermeisters und eine Warnung vor „dem ungebremsten Marsch ins Schuldendesaster“. Richtig prima, fast genial. Pose. Und ab.
Uli Exner
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